Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wirrnis des Herzens

Titel: Wirrnis des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
Vom Netzwerk:
ergeben, es zu bemerken.
    Dann geschah alles so schnell, dass Helen noch nicht einmal dazu kam aufzuschreien. Gerade eben war sie in einen tiefen, traumlosen Schlaf gesunken, und schon im nächsten Moment stopfte ihr jemand ein Taschentuch in den Mund. Ein Faustschlag traf sie am Kinn. Helen hörte noch, wie jemand sagte: »Gut, wir haben sie«, dann sank sie in eine tiefe Bewusstlosigkeit.
    Da war ein Hämmern in ihrem Körper. Ein dröhnendes Hämmern, das sie mehr und mehr ausfüllte, sodass sie vor Schmerzen am liebsten schreien wollte. Sie wollte es nicht noch näher an sich herankommen lassen, wollte sich noch eine Weile lang im Nebel verstecken, aber es gelang ihr nicht. Helen glaubte, ihr Kopf müsse jeden Moment explodieren. Sie stöhnte.
    »Ah, du wachst auf, Helen?«
    Diese Stimme - Helen kannte diese Stimme. Es war nur so unendlich lange her, dass sie sie zum letzten Mal gehört hatte. Sie hatte sich verändert, war tiefer und rauer geworden.
    »Mach die Augen auf, Helen.«
    Sie gehorchte. Der plötzliche Schmerz ließ sie aufstöhnen. Vor ihr stand Gérard Yorke. Älter und verlebter zwar, aber es war Gérard Yorke.
    »Wie geht es dir, meine Liebe?«
    »Ich wusste, dass du lebst. Ich wusste es einfach. Unter welchem Felsbrocken hast du dich verkrochen, du Assel?«
    »Willst du, dass ich dich noch einmal schlage? Es wäre besser, du behieltest deine Beleidigungen für dich. Dir wäre es gewiss lieber gewesen, wenn ich wirklich ertrunken wäre, nicht wahr, Helen? Dann hättest du problemlos diesen Schönling Beecham heiraten können. Ursprünglich hatte ich gar nicht vor, dich so schnell zu holen. Aber dann musste ich natürlich eurer dämlichen Verlobungsfeier zuvorkommen.
    Du wolltest mich aus meinem Versteck hervorlocken. Nun, das ist dir gelungen. Ich habe so lange gewartet, wie es nur eben möglich war. Ich habe gehofft, die Leute würden mich und die Wunderlampe wieder vergessen. Aber Stattdessen wurde es immer schlimmer. Ich habe mich so gut versteckt gehalten, dass ich mich manchmal gefragt habe, ob ich mich selbst überhaupt finden könnte. Aber damit ist jetzt Schluss. Es kommt eben manchmal ganz anders als geplant.«
    »Du bist als Dieb zurückgekehrt, im Schutze der Nacht, nicht als ehrenwerter Mann, als Held aus französischer Gefangenschaft.«
    »Du bist sogar noch schöner geworden, Helen.«
    »Warum bist du noch am Leben, Gérard?«
    Gérard Yorke lehnte sich zurück. Erst jetzt sah Helen ihn richtig. Sie bemerkte, dass sie gefesselt war. Ihre Füße und ihre Hände waren zusammengebunden. Sie trug ihr Nachthemd. Über ihren Beinen lag eine Wolldecke, unter der ihre nackten Füße hervorragten. Das Zimmer war sehr kalt.
    Mit der Fingerspitze berührte Gérard Yorke Helens Mund. Sie bewegte sich keinen Millimeter, gab keinen Laut von sich. Am liebsten hätte sie ihn bis auf die Knochen in den Finger gebissen, aber sie wollte nicht riskieren, dass er sie noch einmal bewusstlos schlug.
    »Ja«, sagte Gérard, und kam mit seinem Gesicht viel zu nah an ihres heran. »Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber du bist tatsächlich noch schöner geworden.«
    Helen hatte Angst, aber sie ließ sich nichts anmerken.
    »Ich habe hier gesessen, dich angesehen und mich gefragt, wie es wohl wäre, wenn ich dich nehmen würde. Ich habe dich schon damals gern angefasst. Eigentlich dachte ich, du bist schon achtundzwanzig, also eine abgehangene alte Jungfer, aber ich habe mich getäuscht. Du bist noch immer eine Witwe, du arme. Hast du mich so sehr geliebt, dass es in all den Jahren kein Mann geschafft hat, den Platz einzunehmen, den ich für unsere kurze gemeinsame Zeit bei dir gehabt habe?«
    »Als man mir sagte, du wärest ertrunken, war ich sehr traurig. Aber, um ehrlich zu sein, ich habe dich schon kurz nach unserer Heirat genauso wenig geliebt wie du mich. Du warst nicht der Mann, für den ich dich gehalten habe. Du warst eigentlich überhaupt kein Mann. Alles, was du von mir wolltest, war ein Nachkomme.«
    »Das stimmt und du hast ihn mir nicht geschenkt. Was glaubst du denn, wofür ich dich geheiratet habe? Mein Leben war doch schön so, wie es war. Aber ich hatte ja keine andere Wahl. Ich musste dich heiraten. Und dann warst du unfruchtbar. Weiß dein Lord Beecham, dass du unfruchtbar bist, dass du nie einen Nachkommen zu Wege bringen wirst?«
    »Das weiß er.«
    Schweigend betrachtete Gérard einen Moment lang Helens Gesicht. »Du hast es ihm nicht erzählt, Helen. Du hast ihn angelogen.

Weitere Kostenlose Bücher