Wirrnis des Herzens
willen, ist es dir nur gelungen, an sie heranzukommen? Sie schläft doch in einem Gemach mit ihrem Gatten.«
Gérard warf Helen ein teuflisches Lächeln zu. »Tja, darüber habe auch ich mir Sorgen gemacht. Aber weißt du was? Ich hatte mich schon darauf vorbereitet, ihm einen ordentlichen Schlag auf den Schädel zu verpassen - eine riskante Angelegenheit, aber etwas Besseres fiel mir nicht ein -, doch da kommt diese Frau doch plötzlich einfach so die Treppe hinunterspaziert. Sie wollte sich in der Bibliothek ein Glas Weinbrand holen. Wahrscheinlich konnte sie nicht schlafen. Ich hätte einen Luftsprung machen können. Tja, und somit habe ich sie ebenfalls hierher bringen können, und du kannst nichts dagegen ausrichten, Helen.«
Douglas würde aufwachen, überlegte Helen, er musste einfach aufwachen. Alexandra wäre weg und er würde sich wundem, wo sie ist. Er würde sie suchen und dann Alarm schlagen.
»Du hast mir wahrscheinlich genauso viele Wahrheiten wie Lügen erzählt, Helen. Aber eines ist sicher, die Wunderlampe befindet sich in deinem Besitz. Und jetzt ist Schluss mit deinen Tricks oder du siehst deine kleine Freundin nie wieder.«
»Ich trage immer noch mein Nachthemd. Soll ich dich etwa in dieser Aufmachung zu der Lampe führen?«
»Ich habe dir und der Gräfin Männerkleider besorgt. Das war einfacher. Während du dich umziehst, gehe ich hinüber und sehe nach deiner Freundin. Sie hat ihre Kleider schon an. Sie sind wie für sie gemacht. Ich habe sie umgezogen, als sie noch bewusstlos war. Du bist ja leider auf gewacht, bevor ich dich entkleiden konnte.« Gérard erhob sich. »Beeile dich, ich will bald aufbrechen.«
Er lehnte sich über sie und löste ihre Fesseln, dabei schien er gar nicht zu bemerken, dass Helen die Knoten schon beinah selbst gelöst hatte. »Die Füße darfst du selbst losbinden, Helen. Aber beeile dich.«
Und das tat Helen. In Windeseile löste sie die Fußfesseln und zog dann, so schnell sie konnte, die Männerkleider an. Die ganze Zeit über dachte sie fieberhaft nach. Alexandra! Auf keinen Fall durfte sie riskieren, dass Gérard Alexandra etwas antat.
Helen nahm den Nachttopf, stellte sich hinter die Tür, atmete tief ein und wartete.
Als Gérard wieder zurückkam, schob er Alexandra vor sich her. »Bleib zurück, Helen«, rief er mit kräftiger Stimme, »oder ich drehe dem kleinen Hühnchen hier den Hals um. Ich will, dass du mir gehorchst. Ein Trick und sie ist tot. Meine Pistole zielt direkt hinter ihr rechtes Ohr. Also komm endlich aus deinem Versteck heraus.«
Helen ließ den Nachttopf mit aller Kraft auf Gerards Kopf niederkrachen.
Er sackte augenblicklich in sich zusammen.
»Hey, Missy, hä! Was ham' Sie denn mit Mr. Yorke gemacht? Sie ham' den armen Mann ja den Kopp zerhauen!«
Mit klarer, ruhiger Stimme fragte Alexandra: »Wer sind denn Sie?«
»Ich bin der, dem der da 'nen Haufen Geld gegeben hat.«
»Fein, dann bin ich jetzt Ihre neue Chefin. Ich verspreche Ihnen das Doppelte, wenn Sie uns zurück nach London bringen«, sagte Helen.
Verwirrt blickte das kleine, magere Männlein von dem am Boden liegenden Gérard Yorke hinauf zu Helen, die ihn um gute drei Köpfe überragte. »Ich schätz', da bleibt mir so und so keine Wahl.«
Unbemerkt erreichten sie die Eingangstür des kleinen Häuschens. Helens Hand lag schon auf dem Knauf, da wurde die Tür plötzlich aufgeworfen und vor ihnen stand Sir John, eine Pistole in der Hand.
»Ich wusste doch, dass Sie ihn hereinlegen würden. Er hat Frauen schon immer unterschätzt. Was hat er gemacht, Sie allein gelassen? Ja, natürlich, wie sollte es Ihnen sonst gelungen sein, sich zu befreien? Und Sie haben ihm eins übergezogen, richtig? Schon damals konnte man erkennen, wie stark Sie sind. Und mit den Jahren sind Sie immer stärker geworden, nehme ich an, und immer gefährlicher. Zurück, Miss Mayberry!«
29
Stöhnend stolperte Gérard Yorke in den kleinen Vorderraum des Häuschens, der mit nichts weiter als zwei wackeligen Stühlen und einem grob gezimmerten Tisch ausgestattet war. Kraftlos lehnte er sich an die Wand und fasste sich an den Kopf.
»Du Nichtsnutz«, raunte sein Vater. »Du bist noch nicht einmal fähig, eine einzelne Frau gefangen zu halten.«
»Natürlich bin ich fähig, eine einzelne Frau gefangen zu halten. Das habe ich doch getan. Ich habe sogar zwei Frauen gefangen gehalten. Sie stehen beide vor dir. Aber dumme Sachen passieren nun einmal, besonders, wenn Helen ihre Finger im Spiel
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