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Wirrnis des Herzens

Titel: Wirrnis des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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Wochen noch war ich glücklich damit beschäftigt, tagein, tagaus mehr oder weniger nichts zu tun und meine Zeit mit all den kleinen Annehmlichkeiten zu ver-bringen, die das Londoner Leben bietet. Dann, Miss Helen, hörte ich Sie und Alexandra Sherbrooke über Züchtigung sprechen, und plötzlich geriet mein Leben außer Kontrolle.«
    »Lord Beecham, ich bin diejenige, mit der Sie innerhalb der letzten zwei Tage sechsmal geschlafen haben, also erzählen Sie mir nichts von Kontrollverlust.«
    Er lachte laut. Durch das Echo klang es wie das glucksende Kichern eines halben Dutzend kleiner Dämonen. Sie erreichten den engen Eingang der Höhle und traten hinaus ins Sonnenlicht. Lord Beecham wandte sich zu Helen um. »Als ich einwilligte, Ihr Partner zu werden, habe ich wirklich nicht an Abenteuer wie dieses gedacht.«
    »Ich habe das dumpfe Gefühl«, sagte Helen zögernd, »dass das Abenteuer gerade erst beginnt.« Dicht nebeneinander standen sie eine Weile auf der Klippe und sahen zum Strand hinunter. Drei Meter hinter ihnen, inmitten von riesigen Felsbrocken, gähnte das schwarze Eingangsloch der Höhle.
    »Das hier ist der schönste Ort der Welt«, sagte Helen. Die wirbelnden, kleinen Wasserströme der Flut züngelten sich in stetigem Fluss durch den braunen Sand. Im niedrigen Wasser sah man übereinander gewürfelte, schwarze Felsen, über und über bedeckt von leuchtend grünem Seetang. Hier und dort lagen Knäule von getrocknetem Tang und angeschwemmtem Strandgut. Die kleinen Felsbrocken in den seichten Gezeitentümpeln waren voller Strandschnecken, Krebse und Schwämme. Lord Beecham fragte sich, wo genau Helen vorhatte, ihn zu zeichnen.
    Genussvoll atmete er die salzige Seeluft ein. Er roch den getrockneten Tang und die Wildblumen.
    »Sehen Sie nur dort«, sagte Helen und zeigte auf einige Vögel, die es sich in umherliegenden Strandhaferbüscheln gemütlich gemacht hatten. »Mit ihren langen Schnäbeln stechen sie bei der Futtersuche in den Sand. Sehen Sie, wie die Schnabelspitze leicht nach oben gebogen ist? Außerdem gibt es hier sehr viele Sturmmöwen. Die liebe ich am allermeisten.«
    Irgendwie war Lord Beecham nicht sonderlich überrascht. Er sagte nichts und beobachtete die unzähligen Vögel. Da waren mehr Arten, als man zählen konnte, und alle waren hungrig und riefen, schrien, quäkten und pfiffen, jede auf ihre Weise.
    »Das Haus meiner Familie, Paledowns, ich habe Ihnen schon davon erzählt, liegt an der Küste von Norddevon. Man kann auf den Klippen stehen und nach Lundy Island hinübersehen. Zur Paarungszeit gibt es dort mehr Vögel, als Sie sich vorstellen können. Sie bedecken regelrecht den Himmel. Papageientaucher - meine Lieblingsvögel, als ich klein war - und Dreizehenmöwen - alle nur erdenklichen Seevögelarten und alle stürmisch und laut. Wenn sie nicht gerade damit beschäftigt sind, sich um Futter zu streiten, fliegen sie kreischend in Schwärmen über die Klippen und über jeden hinweg, der sich auf diese hinauswagt. Der Lärm ist so ohrenbetäubend, dass einem nichts anderes übrig bleibt, als irgendwo Schutz zu suchen. Es ist wirklich eine faszinierende Jahreszeit.«
    »Ich war noch nie in Devon. Wo genau liegt Paledowns?«
    »Zwischen der Combe Martin Bay und der Woody Bay. Der nächste Ort heißt Basset. Die Klippen dort sind voller Krähenscharben und Kormorane. Ich erinnere mich an Tage, da waren so viele Möwen in der Luft, dass man kaum den Himmel sehen konnte.«
    Helen sah Lord Beecham an wie einen Fremden. Sein Mund wirkte plötzlich ungeheuer anziehend auf sie. »Ich wusste gar nicht, dass Sie sich so gut mit Vögeln auskennen.«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Bei einem Gentleman denkt man immer gleich an einen Stapel Spielkarten, eine Flasche Weinbrand und aufgeknöpfte Westen.«
    »Vielleicht noch eine rote Nase oder eine Frau, die sich über ihn beugt, mit Brüsten, die aus ihrem Kleid zu fallen drohen?«
    »So ungefähr.«
    Insgeheim verstand er Helen. Von einem Mann seines Ranges wurde in der Regel nicht erwartet, ein weit gefächertes Wissen zu haben. »Helen, ein Mann, der wie ich als berüchtigter Liebhaber gilt, kann doch auch noch andere Interessen haben. Das Leben besteht nicht nur aus Alkohol, Kartenspiel und Frauen.«
    Erfreut bemerkte Lord Beecham, dass seine Worte Helen für einen Moment verstummen ließen. Er sah zu einer kleinen Gruppe von Wildgänsen hinüber, die sich scheinbar nicht entscheiden konnten, ob sie auf dem nassen Sand bleiben oder zu den

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