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Wirrnis des Herzens

Titel: Wirrnis des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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einem Tisch. Das Hemd hing ihm aus der Hose. Ein anderer beschimpfte die Bedienung, während sein Freund versuchte, das Mädchen auf seinen Schoß zu ziehen und ihr unter den Rock zu fassen. Ein anderer junger Mann lag mit kreideweißem Gesicht über die Tischplatte gebeugt, möglicherweise war er sogar bewusstlos. Am Nachbartisch wurde unter lautstarkem Jubeln und Fluchen gewürfelt.
    Jeder anderen Frau auf der Welt hätte Lord Beecham in diesem Moment befohlen, draußen zu warten, bis er die betrunkenen jungen Männer zur Räson gebracht hätte. Aber hier hatte er es mit Helen zu tun, und die war gewiss nicht mit jeder anderen Frau auf der Welt zu vergleichen.
    Lächelnd, die Arme vor der Brust verschränkt, sah er gelassen zu, wie Helen festen Schrittes in den Raum ging. Wie überwältigend sähe sie jetzt aus, wenn sie auch noch ein Schwert in Händen hielte, dachte er. Helen allerdings kam auch gut ohne Schwert aus.
    Zielstrebig ging sie auf den jungen Mann zu, der immer noch versuchte, die Bedienung auf seinen Schoß zu zerren.
    Direkt vor ihm blieb sie stehen.
    Das Mädchen, Gwendolyn, sah sie zuerst und schrie durch den Lärm der Männerstimmen: »Miss Helen, helfen Sie mir!«
    »Bin schon da, Gwen.« Helen packte den jungen Mann am Kragen seiner Jacke und zog ihn auf die Füße. Entsetzt ließ er von dem Mädchen ab und starrte Helen fassungslos an.
    »Was, zum Teufel...?«
    »Du dämlicher, kleiner Ziegenbock«, sagte Helen ruhig, zerrte ihn aus der Bank und stieß ihn gegen die Wand. Dann packte sie ihn am Hals und schlug seinen Kopf zweimal gegen die Mauer. Einen Schritt zurücktretend, beobachtete sie ungerührt, wie der junge Rüpel ohnmächtig zu Boden sank. Zu Gwen, die ihre Schürze wieder glatt strich, sagte Helen:
    »Geh und hol die Männer aus dem Stall. Ich will, dass diese ganzen jungen Gockel aus meinem Schankraum verschwinden.«
    »He, was macht ihr da?« Es war der junge Kerl, der Gwendolyn beschimpft hatte.
    Helen drehte sich zu ihm um, packte ihn bei den unverhältnismäßig großen Aufschlägen seiner Jacke und zog ihn hoch. »Die Knöpfe an deiner Jacke sind viel zu groß, mein Freund, du brauchst einen neuen Schneider.«
    »Ich habe dafür mein letztes Geld gegeben«, schrie er ihr ins Gesicht. »Und ich weiß, dass die Jacke hochmodern ist, mein Vater hasst sie nämlich.«
    »Hm«, machte Helen. »Ich verstehe, was du sagen willst. Dann lass dir aber wenigstens kleinere Knöpfe annähen.«
    Seine plötzliche Unsicherheit ließ den jungen Mann auf einmal zehn Jahre jünger aussehen. »Finden Sie sie wirklich zu groß?«
    »Ja. Sie tragen dich und nicht andersherum«, sagte Helen und fügte, als sie bemerkte, dass der Verstand des jungen Mannes von all ihrem guten Bier wahrscheinlich doch schon allzu benebelt war, hinzu: »Du bist der Schwanz und deine Jacke ist der Hund. - Und überhaupt siehst du gerade äußerst stumpfsinnig aus«, warf sie ihm, über die Schulter hinweg, noch zu, bevor sie sich entschlossen den übrigen Jungen widmete. Die meisten von ihnen starrten Helen mit glasigen Augen an - eine so große, so schöne Frau, die sie noch dazu, ohne mit der Wimper zu zucken, herumkommandierte. Die Jungen mussten annehmen, sie wären bereits gestorben und im Wikingerhimmel gelandet, dachte Lord Beecham amüsiert.
    Hinter Helen tauchte ein weiterer junger Kerl auf. Er war so betrunken, dass es nahezu an ein Wunder grenzte, dass er es überhaupt noch fertig brachte zu laufen. Er sah sehr wütend aus. Sein scharf gezeichnetes Gesicht war rot angelaufen. Lord Beecham gefiel das gar nicht. Er ging einen Schritt vorwärts, hielt dann aber inne und sagte ruhig: »Helen, hinter Ihnen.«
    »O ja«, sagte sie, schaute Lord Beecham an und lächelte. »Sie meinen diese kleine Runkelrübe mit dem rot angelaufenen Gesicht, das er wahrscheinlich von seinem Vater geerbt hat.«
    »Mein Vater ist tot«, sagte der junge Mann. »Es ist von meiner Mutter. Wenn sie auf mich losgeht, wird sie rot wie eine Tomate.« Mit erhobenen Fäusten stürzte er plötzlich auf Helen zu. Die seufzte und sagte laut: »Warum nur müssen Kinder immer wieder das fürchterliche Verhalten ihrer Eltern imitieren? Dieser Tölpel ist viel zu betrunken, als dass man vernünftig mit ihm reden könnte.« Sie seufzte ein zweites Mal. Sie wusste nur zu gut, dass alle Augen im Raum auf sie gerichtet waren. Als der kampfbereite junge Mann nah genug an sie herangekommen war, wich sie mit einer kleinen Bewegung aus der Hüfte zur Seite

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