Wirrnis des Herzens
Ausschweifungen waren ja nicht auszuhalten. Er musste endlich zum Punkt kommen, seine Begeisterung in wenige prägnante Worte verpacken. Er räusperte sich, öffnete den Mund und sagte dann doch wieder abschweifend: »Eine Frau wie Ihre Tochter ist mir noch nie zuvor begegnet. Ihre Ausstrahlung ist einfach überwältigend. Sie leuchtet, Sir. Ich bin immer noch überglücklich, wenn ich daran denke, dass gerade ich es war, den sie im Hyde Park vom Rücken ihres Pferdes aus zu Boden gerissen hat.« Verwirrt hielt Lord Beecham abermals kurz inne. Wie kam er nur dazu, das zu erzählen? »Ach, Paledowns, Sir, dort wird sich Helen sehr wohl fühlen. Natürlich wird sie auch in London glücklich sein. Außerdem habe ich über den Norden verteilt noch drei weitere Anwesen, die ihr sicherlich genauso gut gefallen werden. Und wenn nicht, dann soll sie die Angestellten so lange züchtigen, bis alles zu ihrer Zufriedenheit ist. - Ich werde Ihre Tochter anbeten, Sir.«
Gelassen sah Lord Prith ihn an. »Um diese Dinge müssen Sie sich gar keine Gedanken machen, mein Sohn. Meine kleine Nell richtet es sich nach ihren Wünschen ein, wo auch immer sie sich befindet. Paledowns hört sich nach einem exzellenten Ort für sie an und jedes andere Ihrer Anwesen ebenfalls. Wissen Sie, jetzt, wo ich darüber nachdenke, kommt es mir beinah so vor, als wäre mein kleines Mädchen während Ihrer Abwesenheit unnatürlich still gewesen. Man könnte fast sagen, sie hätte Trübsal geblasen. Flock, sind Ihre gespitzten Ohren noch irgendwo hier in meiner Nähe?«
»Ja, Ihre Lordschaft, doch ich betrachtete gerade so versunken die Zinnteller und überlegte, wie all die kleinen Furchen des Reliefs am besten zu säubern sind, dass ich von Ihrem Gespräch kaum ein Wort mitbekommen habe.«
»Gut, Flock. Denken Sie, dass man davon sprechen könnte, dass Miss Helen in letzter Zeit Trübsal geblasen hätte, oder meinen Sie, das wäre übertrieben?«
»Miss Helen hat Trübsal geblasen, ganz wie es im Buche steht. Wahrscheinlich hat sie mein Vorbild noch inspiriert. Nein, es wäre nicht übertrieben, der Ausdruck ist absolut angemessen, Sir.«
»Ja, das denke ich auch. Sie wirkte auch so verstört. Ständig ertappte ich sie dabei, wie sie dasaß und ins Leere starrte. Einer ihrer Angestellten ließ es zu, dass mehrere Trensen aus dem Stall des Gasthauses gestohlen wurden. Sie züchtigte ihn, aber sie war ganz und gar nicht bei der Sache, das konnte jeder sehen. Außerdem ist sie magerer geworden. Und das ist gar nicht gut, denn sie ist perfekt so, wie sie ist.«
»Ja, sie ist perfekt.«
»Hmm«, brummte Lord Prith, nahm einen Schluck Champagner und betrachtete das Gemälde an der gegenüberliegenden Wand, auf dem eine Reihe abgezogener Hasen, aufgehängt an einem gespannten Tau in einer alten Küche aus dem sechzehnten Jahrhundert, zu sehen waren. Eigentlich konnte er Bilder wie dieses nicht ausstehen, obwohl sie allgemein sehr beliebt waren.
»Helen ist nicht perfekt, mein Sohn«, sagte Lord Prith. »Ich muss ehrlich zu Ihnen sein, denn es scheint mir, Ihr Bild von meiner kleinen Tochter ist ein wenig zu verklärt. Sie ist sehr eigenwillig, gelegentlich äußerst widerspenstig und manchmal sogar regelrecht stur. Ich übertreibe doch nicht, Flock?«
»Nein, man könnte vielleicht sogar sagen, Ihre Worte seien noch geschönt, da Sie als Vater auf die Tochter blicken, gnädiger Herr.«
»Nun, wie dem auch sei, sie ist es gewohnt, immer und überall genau das zu tun, was sie für richtig hält. Sie hat einen starken Willen und starke Muskeln sowieso. Einmal sah ich zu, wie sie einen Kerl, der sie anfassen wollte, von einer Seite des Raumes zur anderen warf. Sie hat ihm nichts gebrochen, aber das blaue Auge hatte er noch eine Woche später.
Helen bildet sich ihre eigene Meinung von den Dingen, unabhängig davon, was andere darüber sagen. Sie interessiert sich für alles Mögliche. Aber das wissen Sie ja bereits. Und sie ist eine Meisterin der Züchtigung. Ja, ja, auch ich als ihr Vater weiß davon. Ihre Männer im Gasthaus bemühen sich immer sehr, alles ihren Wünschen gemäß zu erledigen. Aber wenn sie dann doch vom rechten Wege abkommen, dann bestraft meine kleine Nell sie. Stellen Sie sich nur vor, Lord Beecham, diese Männer flehen sie manchmal sogar an, dass sie sie züchtigen soll. Aber meine Kleine ist sehr gerecht in ihren Urteilen und lässt sich auf keinen Fall beeinflussen.
Also, sie wird Sie ganz schön auf Trab halten, mein Junge.
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