Wissen auf einen Blick - Philosophen
825 hatte Kalif Abdallah Al-Mamun (786–833), der Sohn des berühmten Kalifen Harun Al-Raschid (um 763–809), in Bagdad das Haus der Weisheit gegründet. Ähnlich wie die antiken Bibliotheken von Alexandria hatte das Haus der Weisheit unter anderem den Auftrag, möglichst alle Werke der syrischen, persischen und griechischen Literatur zu sammeln und zu übersetzen. In diese orientalische Akademie wurde auch Al-Kindi berufen. Er widmete sich zunächst der Übersetzung ausgewählter Werke der griechischen Philosophie, die er kommentierte und später mit eigenen philosophischen Schriften ergänzte. Al-Kindi gilt als erster islamischer Philosoph, obwohl es vorher schon eine philosophisch geprägte Theologie gab. Sein Mentor Kalif Al-Mamun stand dabei aufseiten der Mutaziliten, die davon ausgingen, dass der Koran von Menschen geschaffen und damit interpretierbar sei.
Der Weg zur Wahrheit
Auch Jakub Al-Kindi war der Meinung, dass der Koran ein irdisches Werk sei, denn ewig und volkommen sei einzig und allein Gott. Ganz im Sinne des Neoplatonismus sah er ihn als das „unbeschreibliche Eine“. Da Gott für ihn als frommen Muslim aber der Schöpfer von allem war, musste alles andere folglich endlich und relativ sein – sogar Raum und Zeit. Er war der Meinung, dass Gott zwar die Welt aus dem Nichts geschaffen habe, sie seither aber über physikalische Kausalketten steuere. Vor der materiellen Welt aber – so nahm Al-Kindi wie Platon an – habe Gott den universalen Intellekt geschaffen, das Reich der Ideen.
Philosophie unerwünscht
Die konkreten Ideen Al-Kindis stießen in der islamischen Welt nicht auf allzu viel Resonanz, aber sein Beispiel, auf Grundlage der Ideen von Platon und Aristoteles eigene Philosophie zu betreiben, machte Schule. Allerdings gab es auch immer starken Widerstand. Weite Teile der muslimischen Geistlichkeit lehnten Philosophie (Falsafa) genauso wie Theologie (Kalam) ab. Ihrer Meinung nach ist nur eine islamische Rechtssprechung (Fiqh) nötig, d. h. die Anwendung der Vorschriften des Korans auf konkrete Situationen. Die Gesamtheit dieser Rechtsprüche wird Scharia genannt
.
Mit diesem universalen Intellekt müsse der menschliche Intellekt in Verbindung treten, um Erkenntnis zu gewinnen. Philosophie war für Al-Kindi die Suche nach der göttlichen Wahrheit. Ohne sie zu erkennen, könne der Mensch nicht erlöst werden. Propheten bekämen diese Erkenntnis quasi geschenkt, weshalb Prophetie der Philosophie überlegen sei, aber dank der – mühsameren – Philosophie sei jeder Mensch in der Lage, ebenfalls zur Wahrheit zu gelangen. Aber da Menschen eben nur Geschöpfe seien, seien ihre Erkenntnisse zwangsläufig vielfach und nicht die eine Wahrheit.
Das Schiff nicht verpassen
In einer Schrift über die Traurigkeit vergleicht Al-Kindi die menschliche Seele mit einem Schiffspassagier. Der Aufenthalt auf der Erde gleiche einem Zwischenstopp auf einer Insel. Da man diese Insel zwangsläufig wieder verlassen müsse, solle man sein Herz nicht an sie hängen, um nicht traurig zu werden oder – schlimmer noch – das Schiff und damit die Erlösung durch Gott zu verpassen.
Miniatur eines arabischen Gelehrten in einer mittelalterlichen Handschrift. In Bagdads Haus der Weisheit (arabisch: Bayt al Hikmah), dem Zentrum muslimischer Wissenschaft, übersetzte Al-Kindi die Schriften der griechischen Philosophen und wurde durch deren Gedanken angeregt zu eigenen Kommentaren und philosophischen Schlussfolgerungen. Mit seinen mehr als 90 Kollegen im Skriptorium der Bagdader Akademie herrschte zudem ein reger Austausch, der Ort war somit ein idealer Nährboden für den Beginn der arabischen Philosophiegeschichte
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(c) Interfoto, München
Einer, der es genau wissen will
Ibn Sina (Avicenna) (980–1037)
Sein „Qanum al-Tibb“ (Kanon der Medizin) war rund fünfhundert Jahre lang das wichtigste Standardwerk der europäischen Medizin. Für den Perser Abu Ali al-Husain ibn Sina – lateinisch Avicenna genannt – gehörten die Suche nach den körperlichen und den geistigen Geheimnissen des Lebens zusammen.
Philosophie war für ihn „geistige Medizin“, ein Mittel zur Heilung des Geistes, der an schädlichen Irrtümern leidet. „Buch der Genesung“ nennt er daher auch sein 18-bändiges Hauptwerk.
Die Ordnung der Welt
Ibn Sinas philosophischer Leitstern war Aristoteles (384–322 v. Chr.), und wie dieser gab er sich nur mit einem Denksystem zufrieden, das alles erklärt. Ibn Sina gilt heute als der bedeutendste
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