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Wissen auf einen Blick - Philosophen

Wissen auf einen Blick - Philosophen

Titel: Wissen auf einen Blick - Philosophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelius Grupen
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Auftrag
    Mit seinem aufgeklärten Erkenntnisbegriff war Augustinus seiner Zeit weit voraus. Erst über 500 Jahre später griff der Benediktinermönch Anselm von Canterbury (1033–1109) Augustins Parole „Wir glauben, um zu erkennen“ wieder auf. Anselm machte mit seinem Lehrsatz „Ich glaube, um zu verstehen“ das Miteinander von Vernunft und Glauben zu einer bis heute fortwirkenden Hauptströmung der mittelalterlichen Kirchenphilosophie und der Theologie insgesamt. Die seither vielleicht größte Herausforderung an dieses Miteinander hat Charles Darwin (1809–1882) gestellt. Seine Forschungen haben die moderne Biologie zur Entdeckung geführt, dass Mensch und Affe nach allem wissenschaftlichen Ermessen gemeinsame Vorfahren haben. Am Umgang unterschiedlicher christlicher Konfessionen und Freikirchen mit der Evolutionstheorie lässt sich ablesen, in welchem Maße sie Augustinus und Anselm folgen und wie ernst sie deren Programm der Einheit von Vernunft und Glauben nehmen.

Raoul de Presles (um 1316–1382), Miniaturenmalerei in einer Inkunabel von Augustinus’ „Vom Gottesstaat“ (1486), Bibliothèque Nationale de France, Paris
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    (c) Interfoto, München

Der Universalienstreit
Boethius (475–524)
    Was macht der Wind, wenn er nicht weht? Diese nur scheinbar einfältige Frage zielt ins Herz eines alten Streits, der die Philosophie seit fast 2500 Jahren beschäftigt, mit dem Römer Boethius einen ersten Höhepunkt erreicht und im Mittelalter erneut ausbricht.
    Was also macht der Wind, wenn er nicht weht? Der Wind steht und fällt mit den Menschen, die ihn spüren. Wenn niemand bewegte Luft am Körper spürt und „Wind“ dazu sagt, gibt es ihn nicht. Was aber, wenn „Wind“ etwas bezeichnete, das von jedem gespürten oder vorgestellten oder erinnerten Luftzug unabhängig wäre? Dann müsste man vom Wind, der nicht weht, zumindest sagen, dass es ihn gibt – wenn auch nur als Begriff. Die Sache wird dadurch nicht einfacher, dass der Streit in der Philosophiegeschichte meist in Bezug auf abstrakte Begriffe wie „das Gute“ oder gar „die Dreifaltigkeit“ ausgetragen wurde.
Status der Begriffe
    Von nichts anderem jedenfalls als dem Status der Begriffe handelt der Universalienstreit, auch als Nominalismusstreit bekannt. Darin treten Platon (427–347 v. Chr.) und sein Meisterschüler Aristoteles (384–322 v. Chr.) gegeneinander an, wenn auch mit fast einem Jahrtausend Verspätung. Der Wettstreit wird auf der philosophischen Bühne der christlichen Spätantike und des Mittelalters ausgetragen.
    Platons Gefolgsleute kämpfen für die unabhängige Existenz der Begriffe, die Platon Ideen nannte. Sie waren lange vor den Menschen da und bilden sozusagen die Blaupause der Welt, die wir kennen. Aristoteles und die Seinen behaupten, die Begriffe seien nichts weiter als von Menschen erdachte sprachliche Schubladen, in denen wir einander ähnliche Erfahrungen sammeln. Wenn der Wind nicht weht, ist er auch nicht da.
    Realisten gegen Nominalisten
    Für Platons Gefolgsleute im Universalienstreit hat sich der Sammelname „Realisten“ eingebürgert, weil sie von der unabhängigen Wirklichkeit der Begriffe ausgehen, also annehmen, diese seien „real“. Dazu gehören neben Boethius der afrikanische Kirchenvater Augustinus (354–430) sowie der Benediktiner Anselm von Canterbury (1033–1109). Die aristotelische Fraktion ist als die Gruppe der „Nominalisten“ bekannt, denn sie halten die Begriffe nur für Sammelnamen (nach lat. nomen = Name) menschlicher Erfahrungen. Prominente Nominalisten sind der Kirchenlehrer Thomas von Aquin (um 1225–1274), der Franziskanermönch William von Ockham (um 1285–1350)
Projekt gescheitert
    Die größte Hinterlassenschaft des Boethius an die philosophische Nachwelt sollte seine Übertragung der Hauptwerke von Aristoteles und Platon in das Lateinische sein, versehen mit erklärenden Kommentaren. Dieses Mammutwerk musste jedoch unvollendet bleiben: Im Jahr 524 wurde der Philosoph auf Geheiß des Ostgotenkönigs Theoderich des Großen (um 454–526) hingerichtet. In einem fragwürdigen Prozess wurde ihm die Verbrüderung mit dem wegen Hochverrat angeklagten römischen Senator Albinus vorgeworfen. Bei der Wiederaufnahme des Universalienstreits hatte Boethius erfolgreich zwischen Platon und Aristoteles vermittelt, ihm selbst jedoch blieb die ausgleichende Gerechtigkeit versagt.

Jean de Meung (1240–1305) illustrierte diese Seite aus einer französischen Handschrift des Mittelalters von

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