Wissen auf einen Blick - Philosophen
Descartes und Leibniz seine Überlegungen auf und führten sie weiter. Auf Anselms ontologischen Gottesbeweis folgten viele weitere Versuche, die Existenz Gottes zu untermauern. Zu den bekanntesten gehören der psychologische und der kosmologische Gottesbeweis. Der psychologische Gottesbeweis (nach griech.
psyche
, Seele) besagt, wir könnten uns Gott nicht vorstellen, wenn er nicht existiere. Der kosmologische Gottesbeweis (nach griech.
kosmos
, Weltganzes) dagegen schließt von der Schöpfung auf den Schöpfer. Die Welt sei zu schön, zu geheimnisvoll oder zu zweckmäßig, als dass sie von selbst entstanden oder schon immer da gewesen sein könnte. Also muss es einen Schöpfer geben. Allerdings haben sich nicht alle überzeugen lassen. Ein knappes Jahrtausend nach Anselm kam Immanuel Kant (1724–1804) als vorsitzender Richter am „Gerichtshof der Vernunft“ zum Urteil, die Existenz Gottes sei aus prinzipiellen Gründen unbeweisbar. Womöglich entzieht eine mystische Erfahrung wie der Glaube an Gott sich letztlich dem Zugriff der Logik.
Scholastik
Anselm von Canterbury ist einer der ersten Vertreter der Scholastik (nach lat. schola, Schule). Die Scholastik ist die Hauptströmung der mittelalterlichen Kirchenphilosophie und bemüht sich darum, die christliche Offenbarung mit den Mitteln der Wissenschaft zu einem rationalen Gedankengebäude auszubauen. Wichtige Vertreter sind neben Anselm Albertus Magnus (um 1200–1280) und dessen Schüler Thomas von Aquin
.
1089 sollte Anselm die Nachfolge des schwer erkrankten Erzbischofs von Canterbury übernehmen. Er zögerte und ließ sich erst bei einem Besuch an dessen Krankenbett überreden. Szene der Amtsübernahme in James Doyles „The Chronicle of England“ (1864)
.
(c) Interfoto, München
Habe ich die Liebe nicht, so bin ich nichts
Pierre Abaillard (1079–1142)
Der rumänische Denker Émil Cioran (1911–1995) glaubte, das Leben der Philosophen sei ihre wahre Lehre. Er begeisterte sich für Friedrich Nietzsches missglückte Liebe zu Lou Andreas-Salomé, und Ludwig Wittgensteins ebenso kurzes wie unglückliches Leben nannte er ein „Meisterwerk“. Das Leben des Priesters und Philosophen Pierre Abaillard (auch: Peter Abaelard) wäre ein Leben nach Ciorans Geschmack gewesen. Als Sohn eines Ritters geboren, verzichtete Abaillard auf sein Erbe, um sich ganz der Philosophie zu widmen. Trotzdem war Abaillards Leben reich an dramatischen Wendungen. Vor allem die lange und wechselvolle Geschichte seiner Liebe zu seiner jungen Schülerin Héloïse überschattet beinahe sein philosophisches Vermächtnis. Dabei nimmt Abaillard als Vermittler zwischen den verfeindeten Lagern der Realisten und der Nominalisten im sogenannten Universalienstreit eine wichtige ideengeschichtliche Stellung ein.
Der dritte Mann
Zu Abaillards Zeit beherrschte der Streit um das Wesen allgemeiner Begriffe die philosophische Debatte: das Universalienproblem. Gelehrte wie Johannes Roscelin (um 1050–1123) und Wilhelm von Champeaux (um 1070–1121) stritten darüber, was etwa „das Gute“ sei. Abaillards Lehrer Roscelin vertrat die Ansicht, nur die Einzeldinge seien wirklich, in diesem Fall also etwa gute Taten und gute Menschen. „Das Gute“ dagegen sei nichts weiter als eine Bezeichnung für die Gesamtheit dieser Einzeldinge. Diese Sichtweise ist als Nominalismus bekannt geworden (nach lat.
nomen
, Name). Wilhelm von Champeaux dagegen hielt die Allgemeinbegriffe für „reale Substanzen“. „Das Gute“ sei nicht nur ein Sammelbegriff für gute Dinge, sondern selbst ein Ding, dessen Wesen es zu ergründen gelte. Diese an Platon anknüpfende Position wird Realismus genannt (nach lat.
realis
, auf einen Gegenstand bezogen, wirklich). Lange Zeit galt im Geiste der klassischen Logik: Nominalismus oder Realismus; ein Drittes gibt es nicht (lat.
tertium non datur
). Wenn die Nominalisten recht haben, liegen die Realisten falsch und umgekehrt. Abaillards Pionierleistung: Er fand eine Zwischenposition und wurde damit sozusagen zum „dritten Mann“ im Universalienstreit.
Abaillard und Héloïse
Abaillard verdankt seine Bekanntheit nicht nur seiner Vermittlung im Universalienstreit, sondern auch der Beziehung zu seiner Schülerin Héloïse. Er zeugte ein Kind mit ihr und heiratete sie als Zugeständnis an ihren Vormund, versuchte wegen seiner kirchlichen Laufbahn aber, die Ehe geheim zu halten. Héloïse ging ins Kloster, um Abaillard vor übler Nachrede zu schützen. Ihr Vormund deutete diesen
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