Wissen auf einen Blick - Philosophen
Freiheit“ – erscheint das beobachtende Subjekt als Ausgangspunkt aller Erkenntnis. Allein die eigenen Gedanken könne der Mensch wirklich durchschauen. Eine transzendente Realität, etwa die eines Gottes, lehnte Steiner zunächst ab, da sie nicht durch Wahrnehmung und Erfahrung verbürgt sei. Der Philosophie Friedrich Nietzsches (1844–1900) folgend, entwickelte Steiner eine Philosophie eines von Gott und Moral befreiten Übermenschen, der sich selbst und seine eigene Wahrheit und Bestimmung schafft.
Nach ausgiebiger Beschäftigung mit Goethes naturwissenschaflichem Spätwerk kam Steiner mit der Theosophie in Berührung, der er zuvor ablehnend gegenüberstand. 1902 wurde er Vorsitzender der deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft, einer von östlicher Weisheitslehre beeinflussten okkultistischen Gesellschaft. Mit der Vorstellung von Reinkarnation und Karma als naturwissenschaftlichen Notwendigkeiten versuchte er, die gegensätzlichen Standpunkte seiner alten und seiner neuen Weltanschauung zu vereinen. In Anlehnung an die „Geheimlehre“ der Theosophin Helena Blavatsky (1831–1891) empfiehlt Steiner als erkenntnistheoretisches Konzept eine „Geheimschulung“, die ihre Absolventen befähigen soll, höhere Welten mittels „geistiger Schau“ genauso klar zu erkennen, wie man körperliche Dinge mit den Augen sehen könne. Darin klingt die mittelalterliche Mystik, aber auch die fernöstliche Weisheitslehre an. Zur „geistigen Schau“ bedarf es nach Steiner der Imagination, also der Vorstellungskraft, der Inspiration, also der Anregung, und der Intuition, des Gespürs. Die Einübung dieser Fähigkeiten stehen im Zentrum der Waldorfpädagogik.
Anthroposophie
Rudolf Steiner wählte für seine Lehre die Bezeichnung „Anthroposophie“, in der die Begriffe „Mensch“ (griech. anthropos) und „Weisheit“ (griech. sophia) stecken, in Abgrenzung zur Theosophie (griech. theos, Gott), einer in der Mystik und der indischen Philosophie verwurzelten Denkrichtung des 19. Jahrhunderts. Indem er „Gott“ durch „Mensch“ ersetzt, rückt Steiner die unsterbliche Seele des Menschen in den Mittelpunkt seiner Lehre
.
Steiner und die Wurzelrassentheorie
Steiner übernahm aus der Wurzelrassenthorie Blavatskys die Entwicklung der Menschheit von niedrigeren zu höheren Rassen, die er in Beziehung zu Völkerschaften wie den sogenannten Ariern setzte. Diese nennt Steiner auch die „gegenwärtige Kulturmenschheit“. Dies relativierte er später, indem er statt von „Rassen“ von „Zeitaltern“ oder „Kulturepochen“ sprach und für Gegenwart und Zukunft einen Individualisierungsprozess annahm, der die prähistorische Rassenzugehörigkeit einzelner Menschen auflöse. Dennoch lieferte seine Terminologie zahlreiche Anknüpfungspunkte für spätere rassistische und nationalistische Theorien.
In der Gemeinde Dornach im Schweizer Kanton Solothurn entstanden 1925–1928 nach Plänen Rudolf Steiners die Gebäude der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft. Um die Architektur möglichst unauffällig in die umliegende Alpenlandschaft einzubetten, vermied Steiner rechte Winkel
.
(c) Interfoto, München
Die Vertreibung aus dem Paradies: Russells Antinomie
Bertrand Russell (1872–1970)
Die Geschichte von Russells Antinomie, auch bekannt als Russells Mengenparadox, ist eine Geschichte von großer Eleganz und nicht minder großem Drama. Sie beginnt mit einem Buch und endet mit einem Brief. 1893 waren erstmals die „Grundgesetze der Arithmetik“ (Theorie der Zahlen) des Mathematikers und Logikers Gottlob Frege (1848–1925) erschienen. Sie beruhen auf der Annahme, dass sich jede Menge mit frei wählbaren Merkmalen widerspruchsfrei definieren lasse. Als Elemente einer Menge sind dabei Zahlen oder Mengen zulässig. Mit dieser Theorie knüpft Frege an die Vorarbeiten des Mathematikers Georg Cantor (1848–1925) an. Cantor wurde als Begründer der Mengenlehre bekannt. Der Mathematiker David Hilbert (1862–1942) sagte darüber: „Aus dem Paradies, das Cantor uns geschaffen, soll uns niemand vertreiben können.“
Zwei Wölfe im Schafspelz
Der englische Philosoph und Mathematiker Bertrand Russell (1872–1970) hatte die Neigung, seine Kollegen – mit aller gebotenen Höflichkeit – in letzter Minute mit vermeintlichen Kleinigkeiten zu behelligen. Zumindest in einem Fall stellte sich die Kleinigkeit als Entdeckung von gewaltiger Tragweite heraus: Russells Antinomie. Diese Neigung macht Russell zum
Weitere Kostenlose Bücher