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Wissen auf einen Blick - Philosophen

Wissen auf einen Blick - Philosophen

Titel: Wissen auf einen Blick - Philosophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelius Grupen
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2006 eine Ausstellung zum Thema Psychoanalyse, die als interaktives Labyrinth psychonanalytischer Grundbegriffe angelegt war
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    (c) dpa/Picture-Alliance, Frankfurt

Der lange Weg aus Platons Schatten: Phänomenologie
Edmund Husserl (1859–1938)
    Der Tisch, an dem ich gerade sitze, sieht von der Seite betrachtet anders aus als von oben. Ich nehme einen Schluck Wein. Letzte Woche hat er mir gut geschmeckt, aber heute finde ich ihn bitter, denn ich bin erkältet. Ich muss mich schütteln. Ich friere. Schnell ziehe ich einen Pullover über, und schon kommt der Wind mir weniger kalt vor.
    Lange Zeit hat die Philosophie es als eine ihrer Pflichten betrachtet, von solchen Facetten der Wahrnehmung abzusehen, um ihrem Selbstverständnis als Wesenserkenntnis gerecht zu werden und zum Kern der Dinge vorzudringen.
    Die Phänomenologie (nach griech.
phainomenon
, das Erscheinende, und
logos
, die Lehre) hingegen vermutet die Wahrheit gerade in der Vielzahl der verschiedenen Blickwinkel. Weil die Erscheinungen das unmittelbar Gegebene sind, tun wir gut daran, sie sorgfältig und unvoreingenommen zu beschreiben.
Wider Platon
    Für Edmund Husserl, den mathematisch und naturwissenschaftlich geschulten Begründer der Phänomenologie, ist eine solche systematische Erscheinungslehre die erste Stufe redlicher Denkarbeit. Damit wendet er sich gegen das große und mitunter schwere Erbe des griechischen Philosophen Platon, der den Launen der Wahrnehmung misstraute wie kein Zweiter.
    Weil vor Edmund Husserl ganze Gererationen von Philosophen dieses Misstrauen verinnerlicht hatten, war es für ihn und seine Anhänger ein philosophischer Kraftakt sondergleichen, den Weg zu den Erscheinungen freizuräumen.
    Viele Geister, ein Gedanke
    Die Ursprünge der Phänomenologie reichen bis zu Protagoras (485–415 v. Chr.) und Bischof Berkeley (1685–1753) zurück. Protagoras sprach der Welt die unabhängige Existenz ab und erklärte den Menschen und seine Wahrnehmung zum Maß aller Dinge und ihres Seins. George Berkeley verdichtete diesen Gedanken zur berühmt gewordenen Formel „Sein ist Wahrgenommenwerden“ (lat. „esse est percipi“). Zu den wichtigsten modernen Vertretern der Phänomenologie gehören neben Edmund Husserl Wilhelm Dilthey (1833–1911), Nicolai Hartmann (1882–1950), Martin Heidegger (1889–1976) und Maurice Merleau–Ponty (1908–1961)
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Kein Bewusstsein ohne Gegenstand
    Als Fürsprecher der Erscheinungen trieb Edmund Husserl den Antiplatonismus der Phänomenologie auf die Spitze und machte sie neben der ihr verwandten Existenzphilosophie zu einer der wichtigsten Denkrichtungen der philosophischen Moderne. Er will die Philosophie zur Analyse unserer geistigen Zustände verpflichten, anstatt diese als lästigen Umweg zur Wirklichkeit zu betrachten. Nach Husserl ist menschliches Bewusstsein niemals bloß Bewusstsein, sondern immer Bewusstsein von etwas. Wer das Wissen von seinem Gegenstand zu trennen versucht, verliert es ganz, denn niemand kann nur denken, ohne an etwas zu denken, und Wahrnehmen heißt immer etwas wahrnehmen: die spiegelnde Tischplatte im Gegenlicht, die Säure des Weins oder den kühlen Luftzug.
Freier Blick auf die Welt
    Wenn wir nur die alten philosophischen Vorbehalte gegenüber unseren unmittelbaren Bewusstseinsinhalten überwinden, so Husserl, wird der Blick frei auf die Welt als Phänomen. Zusammengenommen ergibt die Vielzahl aller möglichen Blickwinkel wenn nicht die ganze Wahrheit, so doch die Wahrheit für uns als ihre Betrachter.

Gegen Ende seines Lebens musste der Jude Edmund Husserl noch die Erbarmungslosigkeit des Nationalsozialismus miterleben: Seine Stellung an der Freiburger Universität musste er verlassen und gemeinsam mit seiner Frau die Wohnung räumen. Dass die Manuskripte seiner Schriften erhalten blieben, ist einer Rettungsaktion des Franziskanerpaters und späteren Gründers des Husserl-Archivs Herman Leo van Breda zu verdanken. Dieses Porträtgemälde des deutsch-amerikanischen Malers Rudolf Stumpf befindet sich in Familienbesitz in den USA
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    (c) Interfoto, München

Begründer der Anthroposophie
Rudolf Steiner (1861–1925)
    Heute kennen wir den österreichischen Philosophen Rudolf Steiner vor allem als Begründer Waldorfpädagogik. Ursprung seines erzieherischen Wirkens ist die Anthroposophie, ein philosophisch-religiöses System mit erkenntnistheoretischem Schwerpunkt.
Frühe Erkenntnistheorie
    Im Frühwerk Rudolf Steiners – er veröffentlichte 1894 seine „Philosophie der

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