Witch Boy: Stadt der Geister (German Edition)
Seths Notizblock. Zielsicher blätterte Gretchen zu einer bestimmten Seite und fuhr mit dem Zeigefinger über eine Zeichnung.
„Das hier ist Algiz, die mächtigste Schutzrune, die es gibt. Schon allein eingesetzt entfaltet sie eine starke Wirkung, aber viele Hexen kombinieren sie mit anderen Runen, um einen bestimmten Effekt zu erzielen.“
Seth malte sich die Rune ab und krakelte in einigen, kurzen Worten ihre Bedeutung daneben. „Algiz. Sieht aus wie eine Vogelspur. “
„Oder eine primitive Gabel “, lächelte Claire. „Ich habe früher, wenn wir zu Besuch waren, bei Tantchen immer mit Matsch Runen auf die Hauswände gemalt. Gott, war sie sauer!“
„Es hat meine ganzen Schutzkreise durcheinander gebracht. Natürlich war ich sauer. “ Gretchen lächelte liebevoll. „Gleichzeitig war es wundervoll, weil sie so ihr Talent entdecken konnte.“ Sie schlug eine andere Buchseite auf. „So, das ist Othala. Sie steht für das Heim und alles, was mit Herkunft und unserem Erbe zu tun hat. Zusammen mit Algiz wird sie jedes Haus vor ungebetenen Gästen schützen und zudem den Wohlstand und das Glück einladen.“
Seth klopfte mit dem Ende seines Kugelschreibers auf seine Zeichnung. „Das habe ich schon einmal gesehen. Im Geschichtsunterricht, glaube ich. Haben die Nazis das nicht benutzt? “
„Diese fürchterlichen Leute haben alles Mögliche aus der nordischen Mythologie für ihre Zwecke missbraucht“, sagte Gretchen mit fester Stimme. „Aber davon darfst du dich nicht beeindrucken lassen. Diese Symbole waren schon Tausende von Jahren da, bevor diese unsägliche Ideologie überhaupt erdacht wurde.“
Seth verzog den Mund. „Aber wissen das die Leute hie r auch? Was, wenn einer von denen deswegen ausrastet?“
„Eine gute Frage. Wir müssen die Runen dort anbringen, wo man sie nicht so schnell findet. “ Claire strich liebevoll mit der flachen Hand über das Buch. „Das musste ich bei dir zu Hause auch machen.“
„Hast du die gleichen Runen benutzt? “ Seth legte die Buchstaben sorgfältig auf seine Zunge. „Algiz und Othala?“
„Ganz recht. Ich hatte nicht viel Zeit und euer Grundstück ist sehr groß. “ Sie zeichnete ein unsichtbares Rechteck auf die Seite und tippte auf die jeweils diagonal gegenüberliegenden Ecken. „Sie sind unten am Pfosten, wo die Büsche sie verdecken. „Dein Vater hält nicht gerade viel von mir, aber er hat immerhin nicht gesehen, wie ich sein Eigentum beschmiere.“
„Er wäre nicht derjenige gewesen, der dir den Kopf abreißt “, murmelte Seth. Er reckte sich. „Na gut, die Runen kenne ich jetzt. Wo fangen wir an?“
„Nicht so schnell. Es gehört leider ein bisschen mehr dazu, als nur die Zeichen anzubringen. “ Claire reichte ihm die Hand. „Wir müssen die Häuser segnen.“ Auf sein Augenrollen hin kicherte sie. „Wenn du dich damit wohler fühlst, kannst du sie auch verhexen. Solange du den Bewohnern Wohlstand und Schutz dabei wünschst, soll es mir recht sein.“
„Wenn ich Geister ins Licht locken kann, kann ich wohl auch ein Haus verhexen. “ Seth riss den Zettel von seinem Block, faltete ihn und steckte ihn in seine Hosentasche. „Hoffe ich jedenfalls.“
Claire lächelte ermutigend. „Finden wir es heraus. “
Sie packten eine Wasserflasche, ein bisschen Obst und ein paar belegte Brote ein und machten sich nach einem kurzen Besuch bei den Hühnern auf den Weg.
Claire sah Seth grinsend von der Seite an. „Ich wusste gar nicht, dass du so süß sein kannst. Du hast an Lucy ja echt einen Narren gefressen.“
„Sie ist flauschig “, verteidigte Seth sich. „Und sie wollte auf meinen Arm.“
Claire biss sich auf die Lippe und verkniff sich eine Äußerung, aber ihre graublauen Augen sprühten nur so vor Lachen.
Wenig später erreichten sie das erste Haus in Blackwood Springs, von dem Claire wusste, dass es einer Normalo-Familie gehörte.
„Normalos klingt total blöd. Können wir nicht ein cooleres Wort erfinden? “, fragte Seth, während sie so unbeteiligt und unschuldig aussehend wie möglich an den Zaun heranschlenderten.
„Du hast vielleicht Sorgen “, erwiderte Claire und verdrehte die Augen. Sie sah sich kurz um, dann drückte sie ihm einen schwarzen Edding und eine Packung Kreide in die Hand. „So, du malst da drüben und schräg gegenüber Algiz unten an. Othala übernehme ich, falls uns jemand erwischt. Kreide ist nach dem nächsten Regenguss wieder weg, also entscheide selbst, was du nimmst.“
„Was soll ich
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