Witch Boy: Stadt der Geister (German Edition)

später ging es aus der Stadt hinaus, auf die Landstraße nach Little Fortuneswell. Links und rechts ragten starke Bäume mit saftig grünen Kronen in den Himmel hinauf. Seth war froh, auf Musik aus seinem MP3-Player verzichtet zu haben. Die Vögel tschilpten und zwitscherten so laut, wie er es vorher noch nicht gehört hatte, nicht einmal im New Yorker Zoo. Viel zu schnell machte der Wald einem Feld Platz, und dann kam auch schon das Ortsschild von Little Fortuneswell in Sicht.
    Gretchen grüßte Seth überschwänglich an der Haustür und winkte ihn die Küche.
    „Lass die Schuhe ruhig an, mein Lieber, wir gehen nach dem Brotbacken sowieso gleich raus, und heute Nachmittag kommt meine Reinigungshilfe. Charlies Bett habe ich ans Fenster geschoben. Wenn wir nachher in den Garten gehen, solltest du ihm hallo sagen.“
    „Natürlich, Mrs. G. “
    In der Küche ließ Gretchen Seth den bereits aufgegangen Teig durchkneten und erklärte dabei, woraus er gemacht war. Dann gab sie ihm Gläser mit Kräutern, Körnern und Samen zur Auswahl und ließ ihn bestimmen, was für ein Brot es werden sollte.
    „Echt? Sie lassen mich entscheiden, was es nachher zum Frühstück gibt?“
    „Natürlich. Nur zu, du kannst nichts falsch machen. “
    Also entschied sich Seth für Rosmarin, das Küchenkraut, über das er neulich so viel gelesen hatte. G retchen ließ ihn die Backform füllen und den Ofen einstellen, sodass sich Seth am Ende vorkam, als hätte er Großes geleistet.
    „Das hast du gut gemacht “, lobte sie. „Und jetzt gehen wir raus, Eier sammeln.“
    Sie verließen das Haus über die Terrassentür im Wohnzimmer. Auch in dieser Nachbarsc haft war es noch sehr ruhig, sodass Seth sofort das leise Gluckern und Gackern von Hühnern hörte. Gestern war ihm das völlig entgangen, obwohl er fast eine Stunde im Garten gearbeitet hatte.
    „Vor Fremden verstecken sie sich “, sagte Gretchen, die seine Überraschung richtig deutete, „aber wenn wir ihnen Löwenzahn geben, mögen sie dich. So, jetzt schau mal nach oben. Da ist Charlie.“
    Seth winkte und bekam ein knappes Nicken zur Antwort. „Ist er sauer auf mich? “, fragte er verunsichert.
    „Ach, woher denn? Er ist höchsten sauer, dass er nicht dabei sein kann. Aber das hat er sich selber zuzuschreiben, fürchte ich. Seit Jahren lag ich ihm damit in den Ohren, nicht so viel Kuchen zu essen, aber ich konnte ja auch nicht widerstehen und habe gekocht und gebacken, wenn er mich darum gebeten hat. “ Sie seufzte tief. „Und nun haben wir den Schlamassel.“
    „Alt sein ist ganz schön kacke. “
    „Sich unklug verhalten auch “, konterte sie mit mahnend erhobenen Augenbrauen.
    Seth folgte ihr um eine Ecke, wo sich hinter einer Wand aus übermannsgroßen Sonnenblumen ein Hühnerverschlag befand. Gretchen öffnete die Tür und das Gackern wurde lauter.
    „Nimm den Korb da, wir sammeln jetzt ein paar Eier ein.“ Gretchen trat vorsichtig in die kleine Hütte, streichelte links und rechts über Hühnerköpfchen und glänzende Federn.
    Seth war beeindruckt, wie sie mit den Tieren umging. Als lebenslanges Stadtkind konnte er die Gelegenheiten, zu denen er echte Hühner gesehen hatte, an einer Hand abzählen. Und so nahe war er ihnen noch nie gekommen.
    „Wusstest du, dass Hühner gute Wachhunde sind?“, fragte ihn Gretchen, während sie vorsichtig die Legerinnen absuchte. „Nicht so gut wie Gänse vielleicht, aber sie können sehr laut werden und verteidigen ihr Revier mit allen Mitteln.“
    „Nein, wusste ich nicht. Das da hinten finde ich am Hübschesten. “ Seth deutete auf ein braun gesprenkeltes Huhn, das keinen Kamm hatte und dessen Kopf eher an eine riesige Taube erinnerte. „Was ist das für eine Rasse?“
    „Lucy ist ein Orloff-Huhn, die Züchtung kommt aus dem Iran. Ich habe sie und die anderen von der Tierrettung übernommen. Die Armen sahen am Anfang gar nicht gut aus, aber mittlerweile haben sie sich richtig gut erholt. “
    Sie ließen die Hühner hinaus in den Garten laufen, wo sie sich begeistert auf den Löwenzahn stürzten, den Gretchen überall da wild wachsen ließ, wo sie nichts angebaut hatte.
    „Kann man die wirklich laufen lassen?“, fragte Seth zweifelnd. „Was, wenn ein Fuchs sie holt?“
    „Ach, die sind schlau. Außerdem braucht das Leben ein bisschen Würze, sonst ist es kaum lebenswert. So, hier ist der Wasserschlauch. Sei ein Schatz und wässere bitte alle Beete, bis der Boden schön dunkel ist. Meine Bäume brauchen ordentlich