Witch & Wizard 1 - Verlorene Welt (German Edition)
Körperkrafttests, Intelligenztests, »Normalitätstests«, Patriotismustests und noch mehr Gesundheitstests.
In einer besonders schlimmen Nacht, als ich kaum bei Bewusstsein war und von beißenden Hungerkrämpfen geplagt wurde, holten sie Whit aus der Zelle und brachten ihn weg.
»Das geht nicht!«, schrie ich. »Es ist noch nicht so weit! Ich hab mitgezählt! Es ist zu früh! Er ist noch nicht achtzehn!«
Im nächsten Moment zerrte mich die Oberin ebenfalls aus der Zelle und manövrierte mich durch einen langen Flur zu einem einzelnen Fenster.
Sie deutete nach draußen, auf einen tiefer gelegenen betongrauen Hof, und stimmte einen leisen Singsang an. »Zum Geburtstag viel Glück, zum Geburtstag viel Glück, zum Geburtstag, lieber Whit …« Ich roch ihren fauligen Atem. »Zum Todestag viel Glück!«
Das Blut gefror mir in den Adern, mein Herz setzte aus. In der Mitte des Hofs stand ein altertümlicher Galgen.
»Hoch soll er hängen, hoch soll er hängen …«, zwitscherte die Oberin weiter, ehe sie in ein widerwärtiges Wiehern ausbrach.
Sekunden später wurde Whit von einem Rudel Soldaten auf den Hof geschubst. Weil er an Händen und Füßen gefesselt war, konnte er kaum laufen. Er stolperte dauernd.
Ich musste schlucken, doch meine Kehle war staubtrocken. Unten zog ein Wachmann eine schwarze Kapuze über Whits Kopf.
»Nein!« , brüllte ich und hämmerte die Fäuste gegen das Fenster. »Nein!« Wieder prügelte ich auf das Glas ein, zwinkerte panisch, und plötzlich …
Plötzlich stürzte ich in die Tiefe.
Wisty
Bumms! Ächzend blickte ich mich in unserer engen Zelle um, während das Adrenalin mein müdes Hirn auf Touren brachte.
Ich sah, wie Whit schläfrig blinzelte. Dann schnellte er hoch und starrte mich durchdringend an. Im selben Moment stellte ich fest, dass mein Hintern und mein Rücken schmerzten. Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen.
Ich hatte im Schlaf geschwebt. Und der Galgen-Albtraum hatte mich geweckt – mitten in der Luft .
Blöderweise war mein kleiner knochiger Arsch nicht dazu gedacht, auf einen harten Boden zu krachen, schon gar nicht aus einer Höhe von … na ja, vielleicht 1,20 Meter?
»Äh …«, sagte Whit. »Wisty? Du bist geschwebt. In der Luft.«
Ich blickte ihn an. Ich war einfach nur froh, dass er am Leben und hier bei mir war und nicht am Galgen baumelte.
Was für ein furchtbarer Traum. In meinem Nacken trocknete kalter Schweiß. Mein Blick wanderte in die Höhe, als müssten über mir Seile und Flaschenzüge hängen, die mich in die Luft gehievt hatten. Aber da war nichts.
»Du bist … im Schlaf … geschwebt«, wiederholte Whit verblüfft. »Und die glauben immer noch, wir hätten hier keine besonderen Kräfte!«
Ich wollte es nicht wahrhaben. Doch mein Rücken schmerzte eindeutig und ich hatte eindeutig gespürt, wie ich abgestürzt war. Ich richtete mich auf, bis ich im selben Kubikmeter Luft stand, in dem ich eben noch … geschwebt war!?
Dann fuchtelte ich mit dem blöden Trommelstock herum. Man konnte es ja mal versuchen. Aber nichts geschah.
»Meine Schwester, die Hexe«, lachte Whit. »Kannst du nicht mal einen doppelten Cheeseburger herzaubern? Oder irgendwas anderes Nützliches, zum Beispiel … einen Rieseneisbecher? Oder einen Elektroschocker ?«
Ich setzte mich neben ihn auf die Matratze und seufzte. »Sehr witzig, Whit. Aber … aber diese ganze Zauberer-Hexen-Sache, die Flammen, das Leuchten, der eingefrorene Richterhammer und jetzt diese Flugeinlage … ich glaube, wir sind wirklich magisch.«
In meinem Kopf klang der Satz wie Tja, dann bin ich wohl wirklich ein Supermodel!
»Scharfsinnig kombiniert, Detective Allgood«, meinte Whit. »Jetzt müssen wir nur noch rausfinden, wie wir unsere inneren Magier auf die Flucht aus diesem Rattenloch fokussieren können.«
»Genau.« Ich tippte den Trommelstock leise auf den Boden. Es war nur ein nutzloser Stab, aber seltsamerweise ging es mir besser, wenn ich ihn in der Hand hielt. Als würde er mir beim Denken helfen oder irgend so ein spiritueller Quatsch. »Ich könnte mich mal wieder abfackeln, um die Oberin anzuzünden. Falls ich jemals rausfinde, wie ich es absichtlich auslösen kann.«
»Super Idee. Und dann haben wir es mit einer angekokelten Riesendame und einem Haufen wütender Wachmänner zu tun.«
»Stimmt auch wieder. Hmm. Vielleicht könnte ich durch den Luftschacht rausschweben?« Ich blickte auf das winzige dunkle Fenster über meinem Kopf – und stellte mir vor, wie
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