Witch & Wizard 1 - Verlorene Welt (German Edition)
stürzten sich mehrere fauchende, zähnefletschende Höllenhunde auf ihre Beute. Ich konnte kaum hinsehen. Mir blieb die Luft weg.
»Ich muss was tun!«, sagte Whit.
Doch als er der unglückseligen Gestalt zu Hilfe eilen wollte, sprang sie wieder auf und kämpfte sich mit dem Eimer in der Hand weiter voran. Ich konnte nicht erkennen, ob es ein Junge oder ein Mädchen war – aber es war auf jeden Fall ein Kind, fünf oder sechs Jahre jünger als ich. Blut klebte im Haar und auf dem zerfetzten T-Shirt des armen Geschöpfs. Als es an Whit und mir vorbeihetzte, drückten wir uns an die Seite. Ein paar Meter hinter uns brach es zusammen und kauerte sich mit schlotternden Schultern und Armen an die schmutzige Wand.
Sein Eimer war leer. Er war ausgekippt, als das Kind gestolpert war. Das Kind hatte Leib und Leben riskiert und die Höllenhunde hatten alles gefressen und gesoffen.
Leise schluchzend griff sich die krumme Gestalt den Eimer, krabbelte auf Händen und Füßen davon und verschwand in einer Tür ein Stück den Gang hinunter.
Whit und ich starrten hinterher, stumm vor Entsetzen.
Da tauchte die Oberin auf. Sie blickte auf die Uhr. »Siebzig Sekunden. Tick. Tack. «
W HIT
Habt ihr schon mal versucht, laut zu denken? Und damit meine ich nicht, sinnierend vor euch hin zu labern, sondern wirklich laut zu denken . Im Kopf.
Wenn man das grimmige Fauchen gieriger Mäuler und das scheußliche Klappern scharfer Zähne ausblenden muss, bleibt einem gar nichts anderes übrig. Als ich mit unseren Eimern den Gang hinuntersprintete, schrie ich in Gedanken unaufhörlich: Mach’s wie beim Hundertmeterlauf – wie bei der Regionalmeisterschaft. Renn, renn, renn!
Arrghh! Ich streifte irgendein Hindernis und meine Füße verhedderten sich, doch ich fing mich wieder und raste weiter. Nein, nicht wie bei der Regionalmeisterschaft. Wie bei der Weltmeisterschaft!
»Sieg, Sieg, Sieg!«, brüllte ich. Ich weiß, das ergab wenig Sinn, aber genau dasselbe flüsterte ich mir bei Footballspielen zu, um mich aufzuputschen. Dadurch fiel es mir leichter, so zu tun, als wäre ich der amerikanische Musterknabe, den die anderen ganz bestimmt in mir sehen wollten. Hoffentlich musste ich das Wisty nie erklären …
Bei meinem Hindernislauf durch die tollwütigen Hunde klangen meine Selbstanfeuerungen noch armseliger – aber sie funktionierten. Als ich am anderen Ende des Flurs ankam, hatten mich die Hunde nur ein, zwei Mal angeknabbert. Ich drehte mich zu Wisty um, reckte die Daumen in die Höhe wie ein Psycho und brach durch die nächstbeste Tür.
Und blieb wie angewurzelt stehen.
Es war ziemlich dunkel – aber der Raum schien leer zu sein. Sollte das eine Falle sein? Nur weiter so, Oberin. Mir soll’s recht sein.
Doch ein paar Sekunden lang fühlte ich mich noch wehrloser als zuvor. Jeden Moment konnte ein durchgedrehter Hund oder Wolf aus einer schattigen Ecke schießen und mir das Gesicht wegbeißen.
Erst nach einer halben Ewigkeit gewöhnten sich meine Augen an das fehlende Licht. An der Wand bildeten sich zwei Umrisse heraus – zwei Futtertröge. Nicht zu fassen! Die Oberin hatte nicht nur Unsinn erzählt! Ich rannte hinüber und tunkte die Eimer klatschend in den matschigen Brei und das lauwarme Wasser.
Vor lauter Übermut tauchte ich den Kopf in die brackige Flüssigkeit und trank einen tüchtigen Schluck. Als das Wasser über meine Ohren schwappte, schöpfte ich neue Kraft.
Ich drückte die Eimer an mich und sprintete aus der Kammer, den Flur hinunter auf meine Schwester zu, die auf der Stelle hopste wie eine durchgeknallte Cheerleaderin.
»Brave Höllenhunde!« Ihr Geschrei übertönte sogar das gellende Bellen der Bestien. »Brave, liebe Höllenhunde! Lasst ihn schön vorbei, ja? Lauf, Whit, lauf!«
Im selben Moment schlossen sich scharfe Kiefer um mein Hosenbein.
Ich donnerte gegen die Wand – doch ich behielt mein Ziel im Auge. Sieg, Sieg, Sieg! Es ging weiter, immer weiter durch das Fauchen und Knurren der Hunde.
Als ich Wisty sah, nur ein paar Meter entfernt, jagte ein letzter Energieschub durch meinen Körper. Ich flog regelrecht in ihre Arme. Sie drückte mich an sich, so fest sie konnte.
»Das war der Hammer«, hauchte sie. »Das war unglaublich, Whit.«
Die Oberin marschierte auf uns zu, den Elektroschocker auf unsere Augen gerichtet. »Zeit!«, brüllte sie. Zeit? Ohne Vorwarnung verpasste sie mir einen Stromschlag.
Ich wusste kaum, wie mir geschah, als ich zusammenbrach und zusehen musste, wie die
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