Witch & Wizard 1 - Verlorene Welt (German Edition)
dem Kopf zusammengeschlagen. Sie hatte einen Haufen gute Gründe, davon auszugehen, dass mir endgültig die Sicherungen durchgebrannt waren.
»Wisty«, flüsterte ich. »Ich hab Celia gesehen.«
»Was?« Sie runzelte die Stirn. »In der Wand?«
Ich erklärte ihr, was ich gesehen hatte, was Celia mir gesagt hatte. Dass sie wegen uns ermordet worden war. Dass sie sich in einen Geist verwandelt hatte.
Wisty war sprachlos. Sie musste erst mal die neueste unglaubliche Wendung unseres Lebens verdauen: Ich hatte einen Geist gesehen und mit ihm geplaudert.
Da hörte ich, wie die Zellentür entriegelt wurde.
Wisty
Die Oberin platzte herein und informierte uns, dass man uns wieder zu Richter Unger schaffen würde. Ich war überrascht. War dem Gericht ein Fehler unterlaufen, hatten sie uns mit jemandem verwechselt? Oder waren unsere Eltern irgendwie eingeschritten? Wie auch immer, etwas Bedeutendes war geschehen. Vielleicht würden wir sogar einen Hauch Menschenwürde zurückbekommen.
Auf eine nicht besonders zärtliche Verabschiedung durch die Oberin folgte eine gehetzte Fahrt in einem schäbigen Lieferwagen, in dem der Eisengestank von Blut hing. Darüber hinaus roch es nach etwas, das Tiere absondern, wenn sie sehr große Angst haben.
»Du zitterst ja«, sagte Whit und küsste mich sanft aufs Haar. Eigentlich hatten wir uns schon immer lieb gehabt, nur früher hatten wir uns aus den abwegigsten, albernsten Gründen gezankt. Aber das war vorbei. Das Leben ist kurz – der Spruch ist gar nicht mal so blöd, wie ihr vielleicht denkt. Außerdem musste ich langsam einsehen, was für ein toller Bruder Whit war. Ich wünschte bloß, ich hätte das nicht erst im Höllenknast der Neuen Ordnung kapiert.
Mit quietschenden Reifen hielt der Lieferwagen an, die Wachen zerrten uns ins Freie. Wir betraten ein hohes Gebäude – und standen auf einmal mitten im nüchternen, eintönigen Alltag der Neuen Ordnung: ein hell erleuchteter Gerichtsflur, gewöhnliche Bürger der Neuen Ordnung in der gepflegten, öden Kleidung der Neuen Ordnung mit Mobiltelefonen, die alle denselben fest einprogrammierten Klingelton ausstießen – eine einzige Note. Überall Bilder Des Einen, Der Der Einzige Ist. An allen Wänden das Symbol der N. O., schwarz auf rot. Plötzlich kamen mir unsere Tage und Nächte im Gefängnis nicht mehr ganz so schlimm vor. Wenigstens war uns diese Scheiße hier erspart geblieben.
Whit beugte sich dicht zu mir. »Wenn wir eine Chance kriegen, rennen wir! Wir fassen uns an den Händen und rennen. Wir schauen nicht zurück, egal was passiert.«
Ein Wachmann öffnete die mit verschnörkelten Schnitzereien verzierte Doppeltür …
… und wir waren wieder im selben grässlichen Gerichtssaal. Vor uns saß Richter Ezechiel Unger. Er sah aus wie der Lieblingscousin und beste Kumpel von Gevatter Tod.
»Der Eine, Der Richtet!«, verkündete ein kriecherischer Lakai.
Als könnte man die potthässliche Fratze jemals vergessen.
Doch diesmal waren keine hasserfüllten Geschworenen und kein höhnisches Publikum anwesend. Nur Der Eine, Der Richtet, die bewaffneten Wachen und … der Besucher. Als ich den Typen sah, stöhnte ich innerlich. Wahrscheinlich wollte er Anklage wegen ungenügender Säuberung der Toilette oder wegen Eimerverschüttens im Korridor der Bluthunde erheben.
Richter Unger las in einer umfangreichen Akte. Für uns hatte er nur einen kurzen, angewiderten Blick übrig, bevor er umblätterte und seine Lektüre fortsetzte.
»Wisteria Allgood«, sagte er schließlich und hob die leblosen Augen. »Whitford Allgood.« Aus seinem Mund klang selbst das »good« in unserem Nachnamen urböse. Schon erstaunlich, wie er das hinbekam. »Genießt ihr euren Aufenthalt in der Klinik?«
»Es ist herrlich!«, rief ich. Ich konnte mich nicht zurückhalten. »Wie in einem Fünf-Sterne-Hotel!«
»Das hier …« Unger fuhr fort, ohne auf meinen Spruch einzugehen, und schwenkte die dicke Akte, als wäre sie federleicht. Seine Laseraugen brannten sich in meinen Schädel. »… sind eure Arztberichte. Und eure Testergebnisse sind ausnahmslos … normal . Jedes einzelne!«
Mein Herz machte einen kleinen Hüpfer. Gott sei Dank! Dann war also wirklich alles nur ein furchtbarer Irrtum. Wir durften nach Hause gehen, zu unseren Eltern. Der Albtraum war vorbei.
»Deshalb frage ich euch hier und jetzt …«, fügte der Richter hinzu. »Wen habt ihr bestochen!? Ihn? Den Besucher? Stimmt’s oder hab ich recht?«
Wisty
»Bestochen?« ,
Weitere Kostenlose Bücher