Witch & Wizard 1 - Verlorene Welt (German Edition)
japste Whit so verblüfft, dass ich schon dachte, ihm würde gleich das Hirn aus dem Schädel fliegen und wie wild in der Luft rotieren. Warum auch nicht? Inzwischen rechnete ich mit allem.
»Der Besucher?«, fragte ich. »Nein, nein, keine Sorge. Der Besucher ist ein treuer, ehrenwerter Sadist. Auf den ist Verlass.«
»Aber irgendwen habt ihr bestochen!«, kreischte der Richter. »Normal? Ihr seid das Gegenteil von normal! Eure Verkommenheit ist nicht normal. Eure Heimtücke ist nicht normal. Eure Verachtung für die Gesellschaft ist nicht normal!«
Whit war mal wieder kurz vorm Ausrasten. »Und Ihre Durchgeknalltheit ist auch nicht normal. Womit sollen wir denn irgendwen bestechen? Mit Schleimsuppe? Mit Mäusekot? Mit Schönheitstipps von der garstigen Oberin?«
Richter Ungers Gesicht verdunkelte sich zu einem zornigen Violett. »Du hast hier keine Fragen zu stellen, Weichling!« Speichel flog aus seinem Mund wie Wasser aus einem Springbrunnen. »Du hast Fragen zu beantworten! Zum letzten Mal – wen habt ihr bestochen? Ganz sicher nicht die Oberin, meine geliebte Schwester!«
Warum überrascht mich das jetzt nicht? , fragte ich mich verbittert. Aber die Oberinnenwitze sollte ich mir heute lieber verkneifen …
»Noch ein Wort über meine Schwester«, zischte Unger, »und ihr werdet wegen Missachtung des Gerichts bestraft. Dagegen ist alles andere Kindergarten!«
Was bist du nur für eine miese, erbärmliche Kakerlake , dachte ich.
»Es tut mir ja leid«, meinte Whit, »aber vielleicht hatten die Testapparaturen Ihrer Handlanger ja einen kleinen Aussetzer?«
»Ruhe!«, brüllte der Richter. »Ihr habt die Apparate mit eurer Magie manipuliert! Kein Zweifel! Ihr habt die Ergebnisse verfälscht!«
Du Kakerlake! Du alte Kakerlake! , schrie ich in Gedanken. Wenn ich dich doch nur in eine Kakerlake verwandeln könnte! Wozu bin ich denn eine Hexe? Warum kann ich das nicht? Warum, warum, warum?
»Verwandle dich in eine Kakerlake« , murmelte ich leise. »In eine Kakerlake!«
Mein Gehirn schmerzte vor Anstrengung. Hexen konnten zaubern – aber ich wusste keine Zaubersprüche. Ich erinnerte mich bloß an ein paar Kinderreime. Vielleicht kannte ich ja einen Reim über Kakerlaken?
Doch mir fiel nur ein halbwegs passender Vers ein:
Fliegen in der Küche, krabbeli zappeli,
Fliegen in der Nacht, krabbeli zirp,
Fliegen am Flussufer, krabbeli zappeli,
Fliegen im Morgenlicht, krabbeli zirp.
Was zum Teufel sollte das bedeuten?
Der Richter brüllte weiter auf Whit ein, während Whits Gesicht versteinert war – er gab sich große Mühe, nicht die Beherrschung zu verlieren. Ein Blick, den ich als Schwester sehr gut kannte.
Plötzlich hörte ich ein lautes Summen. Meine Augen wanderten nach oben.
Das konnte doch nicht …
Das Summen steigerte sich, bis ein Wachmann sagte: »Was zur … hey! Oh Gott. Ohgottohgott!«
Ein Schwarm riesenhafter, bissiger Bremsen fiel in den Gerichtssaal ein.
Ich hatte eine biblische Plage heraufbeschworen.
Wisty
Bremsen. Wohin ich auch schaute, überall stürzten sich die Viecher zielstrebig auf die Menschen. Ein Schwarm rasender, hungriger Blutsauger. Und ich hatte ihn erschaffen. Upps.
Es war ein Wahnsinnschaos. Als hätte man einen Sack Stinkbomben und einen Haufen illegale Böller in den Gerichtssaal geschmissen. Nein, noch schlimmer. Knallharte Wachmänner rannten kreischend durch die Gegend und wedelten mit den Armen wie kleine Jungs, die über ein Hornissennest gestolpert waren.
Richter Unger war starr vor Schreck. Sein Mund klappte auf – und schloss sich wieder, als einige dicke Brummer zu einem Kamikaze-Sturzflug in seine Kehle ansetzten.
Whit und ich verkrochen uns unter einem Tisch. »Was ist das denn!?«, fragte er. »Hast du das …«
»Ähhhm …«, druckste ich herum. »Kann schon sein. Vielleicht. Ja.«
»Aber wie hast du das gemacht?«
»Wenn ich das wüsste. Ich hab mich bloß an ein Lied über Fliegen erinnert. Über Fliegen am Flussufer, krabbeli zappeli und so.«
Mit einem Mal verstummte das Summen. Das war’s schon? , dachte ich. War aber eine kurze Plage.
Wisty
Ich lugte unter dem Tisch hervor und sah, wie sich der Besucher panisch auf der Stelle drehte und mit seinen knochigen Armen um sich schlug, was ihm rein gar nichts brachte. Richter Unger versteckte sich in seiner wallenden Robe und linste mit baseballgroßen Augen in den Saal.
»Oh Gott!«, schrie ein Wachmann.
»Bitte nicht!«, brüllte ein anderer. »Das ist ja noch schlimmer. Viel
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