Witch & Wizard 1 - Verlorene Welt (German Edition)
meinte Celia und beäugte mich ängstlich. Was war mit der alten, fröhlichen Celia passiert? Ich hätte sie so gern in den Arm genommen und ihr gesagt, dass alles gut werden würde. Aber ich würde sie nie wieder richtig in den Arm nehmen können, oder? Und ich konnte sie nicht anlügen.
»Wir haben uns eine eigene kleine Gesellschaft gebastelt. Funktioniert astrein.« Sasha führte uns durch einen Gang mit Türen zu verschiedenen Büros. »Und hier – tadaa! – residiert unsere Wochenanführerin.«
Hinter einem Tisch, auf dem ein kleines Messingschild mit der Gravur MANAGER stand, saß ein süßes, höchstens fünfzehn Jahre altes Mädchen, das geschäftig auf einem Laptop tippte.
Von der Rückseite des Computers führte ein sechs Meter langes Stromkabel zu … einem kleinen Metallmülleimer? Rauch stieg mir in die Nase, ein leicht angebrannter Zitronenduft. Igitt. Von nun an würde ich immer an diesen Mülleimer denken, wenn ich Parfüm roch.
Das süße Mädchen blickte auf und strich sich die langen braunen Locken hinter die Schultern. Sie war nicht geschminkt, trug ein fleckiges T-Shirt und eine Jeans-Latzhose und musterte uns mit äußerst sachlichem Gesicht.
»Lange nicht gesehen, Sasha«, meinte sie dann. »Dreiundvierzig Tage lang, um genau zu sein. Wir hätten dich hier gebraucht.«
»Das soll jetzt keine Ausrede sein, aber Celia hat die Operation geleitet«, erwiderte Sasha. »Eine extrem erfolgreiche Operation übrigens. Und bei diesen Schattenlandportalen kann man eben nie wissen. Außerdem mussten wir einen Gefängnisausbruch inszenieren und so …« Er wandte sich an uns. »Whit und Wisty, darf ich euch meine ehemalige Nahkampf-Trainingspartnerin Janine vorstellen? Sie ist unsere aktuelle Anführerin. Was ihr euch wahrscheinlich schon gedacht habt, weil sie im Managerbüro sitzt und einen Manageranstecker am Kragen trägt …«
»Hi«, sagte Janine, ohne zu lächeln oder aufzustehen. Stattdessen schüttelte sie uns die Hand wie zwei Bewerbern beim Vorstellungsgespräch. »Willkommen.« Ihr strenger Blick richtete sich auf Celia. »Konntet ihr noch andere Kids aus der Klinik holen?«
Celia schüttelte den Kopf. »Auf dem Stockwerk wurde nur noch ein anderer Junge festgehalten, und der … war nicht mehr zu retten.«
Janine nickte. »Es ist eine Schande, dass die Geradlinigen selbst Kinder brechen können. Aber der Kampf muss weitergehen!«
»Der Kampf muss weitergehen«, wiederholte Celia. Dann sah sie mich an. »Ich muss jetzt gehen, Whit. Aber ich werde versuchen zurückzukommen.«
Versuchen. In meinen Ohren klang das Wort wie eine Totenglocke.
W HIT
Habt ihr schon mal einen Menschen verloren, der euch wirklich wichtig war? Dann könnt ihr euch vorstellen, wie ich mich fühlte. Ich liebte Celia mehr, als ich es mit Worten beschreiben konnte, und jetzt wurde sie wieder und wieder aus meinem Leben gerissen. Es war unerträglich.
Als ich ihr zunickte, verschwanden wir gemeinsam hinter einer der verspiegelten Säulen des Einkaufszentrums, um ein bisschen allein zu sein.
Ich versuchte, Celias Hände zu halten. Ich umfing ihre Form mit meinen Fingern. »Du musst zurückkommen«, sagte ich und blickte ihr in die Augen. »Ich kann dich nicht schon wieder verlieren. Ich halt das nicht aus.«
Sie nickte. Ihr vertrautes Lächeln blitzte auf. »Ich will doch zurückkommen, Whit. Ich bin so froh … so froh, dass du am Leben bist. Es gibt so vieles, was mir fehlt, aber du fehlst mir am meisten. Du fehlst mir so sehr.«
Dann tat sie etwas, das ich bis heute nicht begreife.
Sie trat dicht auf mich zu. Immer dichter und dichter, bis ich sie nicht mehr sehen konnte. Ich spürte sie nur noch, intensiver und näher als je zuvor.
Wir waren verschmolzen. Als wären wir eins. Ein einziger Mensch.
Es war ein warmes, friedliches, perfektes Gefühl. Es war schön. Ich war ein Teil von Celia, sie war ein Teil von mir. Und obwohl der Moment nur ein paar Sekunden andauerte, wirkte er so groß und mächtig, als müsste er ewig währen. Ich wusste, dass ich ihn nie vergessen würde. Wie auch?
Schließlich löste Celia sich von mir, warf mir eine Kusshand zu und eilte zum nächsten Portal, das offenbar in der Jungs-Schuhabteilung lag. Und dann war sie verschwunden.
Ich fühlte mich, als hätte ich buchstäblich eine Hälfte meiner selbst verloren. Eine Weile lungerte ich noch zwischen den Sneakers und Chucks herum und wischte mir die Tränen weg. Wie sollte ich den anderen erklären, was ich gerade erlebt
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