Witch & Wizard 1 - Verlorene Welt (German Edition)
Wahrheit zum Vorschein bringt, selbst wenn kein einziges Detail stimmt. Ein paar Details dürften stimmen. Aber vielleicht auch nicht.«
»Bestimmt, Michael«, sagte ich, um ihn wissen zu lassen, dass wir aufmerksam zuhörten. Er klang viel älter, als er aussah. Ich hatte beinahe Angst davor, seine Geschichte zu erfahren.
»Eines Morgens kamen die Soldaten in unsere Zellen – Männer in schwarzen Uniformen und frisch polierten Stiefeln. Ich glaube, die Sonne war schon aufgegangen. In meinem Block saßen vierzig Häftlinge ein, wenn nicht mehr. Alle zwischen fünf und sechzehn Jahre alt, würde ich sagen. Jungen und Mädchen. Viele verschiedene Farben – Hautfarben, meine ich. Alle ›extrem gefährlich‹. Die Soldaten nahmen uns mit und trieben uns eine Treppe hinunter auf einen Hof, auf dem nur wenige Wachen warteten. Sie dachten wohl, wir würden ihnen schon keinen Ärger machen, und damit lagen sie richtig. Wir waren zu müde, zu hungrig. Die meisten hatten sie längst gebrochen. Auf einmal kam ein starker Wind auf, ein wahrer Tornado, und plötzlich stand ein großer kahlköpfiger Mann vor uns. Wenn ich mich recht erinnere, roch er nach Mandeln. Der Mann sagte kein Wort. Er stellte sich nicht vor. Aber ich ahnte, wer er war: Der Eine, Der Der Einzige Ist. Er betrachtete uns voller Abscheu, als wären wir weit unter seiner Würde. Dann … zuckte er mit der Hand. Ein kleines Zucken mit der Hand, mehr war es nicht. Und von den anderen war nur noch Rauch übrig. Rauch und der Gestank brennender Haut. Er hatte alle … ich weiß es nicht … er hatte sie verglühen lassen? Eine Sekunde später war er wieder verschwunden. Ich war noch da. Ich bin immer noch da. Fragt mich nicht, warum. Wagt es ja nicht, mich das zu fragen. Ich weiß nicht, warum ich verschont wurde. Und inzwischen ist es mir auch egal.« Michael Clancys Augen wanderten zu Sasha. »Ich habe ihnen meine Geschichte erzählt. Jetzt bring sie weg. Bitte.«
Wisty
Nach mehreren Stunden erholte ich mich allmählich von unserer Begegnung mit Michael Clancy. Erst dann begriff ich langsam, was er uns da erzählt hatte.
Musstet ihr schon mal so viele neue, tragische und komplizierte Informationen verarbeiten, dass ihr das Gefühl hattet, euch würde gleich der Schädel explodieren? Wenn ihr euch dieses Gefühl vorstellt und dann noch etwas wirklich Ekelhaftes esst, das euch stundenlang kotzen lässt, geht es euch ungefähr so dreckig wie mir damals.
Fassen wir zusammen:
Ich, Wisty, ein stinknormales Mädchen, bin eine Hexe. Mr Waschbrettbauch Whit ist ein Zauberer. Aber wir haben unsere Kräfte kaum unter Kontrolle.
Ein undurchsichtiger Typ, der sich Der Eine, Der Der Einzige Ist nennt, hat uns zum Tode verurteilt.
Unsere Eltern werden wegen Hochverrats gesucht. Wir wissen nicht, wo sie stecken oder ob sie überhaupt noch am Leben sind.
Wir wurden in einem »magiedämpfenden« Gefängnis gefoltert. Vielleicht sind wir mächtiger, als wir ahnen?
Ein totes Mädchen – zufälligerweise die Liebe des jungen Lebens meines Bruders – ist aus dem Nichts aufgetaucht, um uns aus dem Gefängnis zu befreien.
Ich habe Byron Swain in ein Wiesel verwandelt. Das Einzige, worauf ich wirklich stolz bin.
Es gibt nicht nur die eine Welt , es gibt mehrere Welten. Schattenland, Freiland, Oberwelt, Unterwelt … da verliert man schnell den Überblick.
Eine dieser Welten wird von einer Bande Kids regiert … vom Managerbüro eines mehr oder minder zerstörten Kaufhauses aus. Das Paradies stelle ich mir anders vor, aber hier ist man wenigstens noch frei.
Ich soll helfen, eine Befreiungsaktion zu organisieren. Vielleicht können wir haufenweise Kids davor bewahren, pulverisiert zu werden. Oder auch nicht. Vielleicht haben wir sie hinterher alle auf dem Gewissen.
Das war eine Menge auf einmal. Aber manchmal kann so eine Liste helfen, das Chaos in den Griff zu bekommen. Es gibt sinnlosere Lebensweisheiten als eins nach dem anderen .
Um nächste Woche würden wir uns nächste Woche kümmern. Im Moment interessierten sich alle anderen bloß für Nummer neun.
Aber Whit und ich konnten nur an Nummer drei denken.
Wisty
»Okay«, sagte ich. »Die Befreiungsaktion soll also morgen steigen? Im Oberwelt-Gefängnis? Wisst ihr überhaupt, wie das Gefängnis aufgebaut ist? Aber damit das klar ist: Whit und ich haben noch nicht zugesagt!«
Janine hackte auf die Tastatur ein, bis der Grundriss eines Gebäudes auf dem Monitor erschien. Byron Drecksack Spitzel Frettchenfresse
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