Wittgensteins Mätresse: Roman (German Edition)
haben.
Im Wohnzimmer meiner Mutter in Bayonne, New Jersey, gab es mehrere meiner eigenen Gemälde. Zwei davon waren Porträts, von ihr und von meinem Vater.
Ich habe nie den Mut aufgebracht, sie zu fragen, ob sie wünschte, dass ich diesen Spiegel entferne.
Eines Nachmittags war der Spiegel nicht mehr da. Allerdings.
Um die Wahrheit zu sagen, ich machte selten Porträts.
Jene meiner Mutter und meines Vaters sind jetzt im Metropolitan Museum, in einer der großen Gemäldegalerien im ersten Stock.
Nun, all meine Gemälde sind jetzt in diesen Galerien im Metropolitan Museum.
Was ich machte, war, ich stellte sie zwischen verschiedene Gemälde der ständigen Sammlung, wo immer genügend Platz an der Wand war.
Einige wenige überlappten diese anderen aber nur an ihren unteren Ecken. Im Allgemeinen.
Sehr wahrscheinlich haben sich meine seitdem etwas verzogen. Freilich.
Weil sie so viele Jahre angelehnt waren, statt aufgehängt, eben.
Na ja, und ein Teil davon war auch nie gerahmt worden.
Dann wiederum, wenn ich von allen meinen Gemälden spreche, spreche ich nur von den Gemälden, die ich nicht verkauft habe. Natürlich.
Obwohl, tatsächlich waren auch einige wenige in Gruppenausstellungen oder ausgeliehen.
Tatsache ist, eines davon sah ich aus reinem Zufall, als ich in Rom war.
In Wirklichkeit hatte ich das fast vergessen. Und dann, im Fenster einer städtischen Galerie in einer Straße in der Nähe der Via Vittorio Veneto, war da mein Name auf einem Plakat.
Um die Wahrheit zu sagen, es war Louise Nevelsons Name, der mir zuerst ins Auge stach. Aber trotzdem.
Nur einen Tag danach saß ich in einem rechtsgesteuerten Auto mit englischen Nummernschildern und sah zu, wie sich die Piazza Novona mit Schnee bedeckte, was sicherlich selten sein muss.
In der Frührenaissance, obgleich auch in Rom, machten sich Brunelleschi und Donatello mit einem solchen Eifer daran, die Ruinen auszumessen, dass die Leute glaubten, sie wären wahnsinnig.
Danach aber kehrte Brunelleschi nach Hause zurück, nach Florenz, und errichtete den größten Dom seit der Antike.
Nun. Das ist einer der Gründe, weswegen die Renaissance so genannt wurde. Offensichtlich.
Es war Giotto, der den schönen Campanile direkt neben diese Kathedrale gebaut hat.
Als man ihn einmal bat, ein Muster seiner Arbeit vorzulegen, legte Giotto einen Kreis vor.
Nun, der Witz ist, dass es ein perfekter Kreis war.
Und dass Giotto ihn freihändig gemalt hatte.
Als mein Vater starb, weniger als ein Jahr nach meiner Mutter, stieß ich auf denselben winzigen Spiegel in einer Schublade voll mit alten Schnappschüssen.
Echter Schnee fällt in Rom nicht öfter als ungefähr alle siebzig Jahre. Tatsächlich.
Also ungefähr so oft, wie auch der Arno über seine Ufer tritt, in Florenz. Obwohl es da vielleicht keine Verbindung gibt.
Dennoch ist es nicht unmöglich, dass Leute wie Leonardo da Vinci oder Andrea del Sarto oder Taddeo Gaddi ihr ganzes Leben verbracht haben, ohne je Schneebälle werfende Jungen gesehen zu haben.
Wären sie etwas später geboren worden, hätten sie zumindest Breughels Gemälde sehen können, auf denen Burschen das tun.
Außerdem glaube ich die Geschichte über Giotto und den Kreis, übrigens. Bestimmte Geschichten zu glauben ist befriedigend.
Auch glaube ich, einmal William Gaddis getroffen zu haben. Er sah nicht italienisch aus.
Hingegen glaube ich nicht ein Wort von dem, was ich einige Zeilen vorher über Leonardo da Vinci und Andrea del Sarto und Taddeo Gaddi geschrieben habe. Dass sie nie Schnee gesehen haben. Was lächerlich war.
Auch kann ich mich nicht mehr daran erinnern, ob ich auf das Plakat mit meinem Namen stieß, bevor oder nachdem ich die Katze beim Kolosseum gesehen habe.
Die Katze im Kolosseum war orange, sollte ich darauf nicht hingewiesen haben, und hatte ein Auge verloren.
Tatsächlich war sie kaum die allerschönste Katze, auch wenn ich noch so begierig war, sie wiederzusehen.
Simon hatte einmal eine Katze. Für die wir uns anscheinend nie zu einem Namen durchringen konnten.
Katze riefen wir sie bloß.
Hier, wenn der Schnee kommt, schreiben die Bäume eine seltsame Kalligrafie auf das Weiß. Der Himmel selbst ist oft weiß, und die Dünen sind verborgen und der Strand ist ebenfalls weiß bis hinunter zum Wasser.
Sozusagen gleicht dann fast alles, was ich sehen kann, dieser meiner Neun-Fuß-Leinwand, mit ihren undurchsichtigen vier weißen Schichten Gipsgrund.
Hin und wieder mache ich Feuer den Strand
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