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Witwe für ein Jahr (German Edition)

Witwe für ein Jahr (German Edition)

Titel: Witwe für ein Jahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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sein würde. Ruthie merkte erst, daß der Maulwurfmann im Eßzimmer war, nachdem ihr Vater das Haus verlassen hatte.«
    Auf der dritten Illustration sieht man Ruth Teller und Besteck in die Küche hinaustragen. Sie hat ein wachsames Auge auf den Maulwurfmann, der unter der Stehlampe hervorgekommen ist und seine sternförmige Schnauze vorstreckt, um nach ihr zu schnüffeln.
    »Ruthie achtete sorgfältig darauf, kein Messer und keine Gabel fallen zu lassen, denn ein so lautes Geräusch kann selbst ein Maulwurf hören. Und auch wenn sie ihn sehen konnte, wußte sie immerhin, daß er sie nicht sehen konnte. Als erstes ging Ruthie zum Abfalleimer; sie schmierte sich Eierschalen und Kaffeesatz in die Haare, um nicht wie ein kleines Mädchen zu riechen, aber der Maulwurfmann hörte die Eierschalen knacken. Außerdem mochte er den Geruch von Kaffeesatz. Da riecht es nach Erdwürmern! dachte der Maulwurfmann und schnüffelte sich näher und näher an Ruthie heran.«
    Auf der vierten Illustration läuft Ruth so schnell die mit Teppich ausgelegte Treppe hinauf, daß ihr der Kaffeesatz und die Eierschalen aus den Haaren fallen. Am Fuß der Treppe, die sternförmige Schnauze nach oben gewandt, steht der Maulwurfmann und sieht ihr aus blinden Augen nach. Einer seiner alten Tennisschuhe hat sich bereits auf die erste Stufe vorgetastet.
    »Ruthie lief nach oben. Sie mußte den Kaffeesatz und die Eierschalen loswerden. Sie mußte versuchen, so zu riechen wie ihr Daddy! Und deshalb holte sie seine ungewaschenen Sachen aus dem Wäschekorb, zog sie an und schmierte sich Rasiercreme ins Haar. Sie rieb sich sogar mit seinen Schuhsohlen übers Gesicht, merkte aber bald, daß das keine gute Idee war. Maulwürfe mögen nämlich Schmutz. Sie kratzte den Schmutz wieder ab und schmierte sich noch mehr Rasiercreme ins Gesicht, aber sie mußte sich beeilen, denn mit dem Maulwurfmann oben im ersten Stock festzusitzen war erst recht keine gute Idee. Und deshalb versuchte sie, auf der Treppe an ihm vorbeizuschlüpfen.«
    Auf der fünften Illustration treffen sich die beiden auf dem Treppenabsatz in der Mitte der Treppe; der Maulwurfmann ist halb oben, Ruth, in den schmutzigen Sachen ihres Vaters und voller Rasiercreme, ist halb unten. Sie sind dicht genug beisammen, um sich berühren zu können.
    »Der Maulwurfmann roch einen irgendwie erwachsenen Geruch, vor dem er zurückwich. Aber Ruthie hatte etwas von der Rasiercreme in die Nase bekommen und mußte niesen. Selbst ein Maulwurf kann hören, wenn jemand niest. Ruth versuchte das Niesen dreimal zu unterdrücken, was wirklich kein Vergnügen ist; man bekommt ein so scheußliches Gefühl in den Ohren. Und jedesmal gab sie ein leises Geräusch von sich, das der Maulwurfmann ganz schwach hören konnte. Er legte den Kopf schief und drehte ihn in ihre Richtung.
    Was war das für ein Geräusch? dachte er. Er hätte sich so gewünscht, außen am Kopf Ohren zu haben! Es war ein Geräusch, wie wenn jemand versucht, kein Geräusch zu machen. Er horchte weiter. Und er schnüffelte weiter, so daß Ruthie sich nicht zu bewegen wagte. Sie stand da und gab sich Mühe, nicht zu niesen. Sie mußte sich auch große Mühe geben, den Maulwurfmann nicht zu berühren, denn sein Fell glänzte so samtig!
    Was ist das bloß für ein Geruch? überlegte der Maulwurfmann. Jungejunge, da braucht aber jemand dringend was Frisches zum Anziehen! Dieser Jemand hatte sich offenbar dreimal am Tag rasiert. Und er war mit einer Schuhsohle in Berührung gekommen. Außerdem hatte er ein Ei zerbrochen und Kaffee verschüttet. Dieser Jemand muß ja ein schönes Schwein sein! dachte der Maulwurfmann. Aber irgendwo, inmitten all dieser Gerüche, war ein kleines Mädchen, das allein roch. Das wußte der Maulwurfmann, weil er ihren Babypuder riechen konnte. Nach dem Baden, dachte er, stäubt sie sich Babypuder in die Achselhöhlen und zwischen die Zehen. Das gehörte zu den wunderbaren Angewohnheiten kleiner Mädchen, die den Maulwurfmann beeindruckten.
    Sein Fell sieht so weich aus, ich glaube, ich werde gleich ohnmächtig – oder ich muß niesen, dachte Ruthie.«
    Auf der sechsten Illustration, die Ruth und den Maulwurfmann auf dem Treppenabsatz zeigt, streckt er seine paddelförmige Grabhand nach ihr aus; jeden Moment wird eine lange Kralle ihr Gesicht berühren. Ihre kleine Hand ist ebenfalls ausgestreckt und wird gleich das samtige Fell auf der Brust des Maulwurfmanns streicheln.
    »›Ich bin es, ich bin wieder da!‹ rief Ruthies

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