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Witwe für ein Jahr (German Edition)

Witwe für ein Jahr (German Edition)

Titel: Witwe für ein Jahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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beneidete Alice Somerset um ihre Auflagen im Ausland, aber ebenso stolz war er auf Marions Bemühungen, ihre eigene Tragödie und ihr Unglück literarisch aufzuarbeiten. »Das ist gut für deine Mutter«, sagte er zu Ruth. »Sie hat alles genommen, was ihr Schmerzen bereitet, und daraus eine Krimireihe gemacht!«
    Doch Eddie war nicht sicher, ob er für den jungen Liebhaber Pate gestanden hatte, der wieder in Margaret McDermids Leben tritt, als sie sechzig wird, oder ob sich Marion während des Vietnamkriegs einen anderen jungen Amerikaner als Liebhaber genommen hatte.
    »Sei nicht albern«, sagte Ruth zu ihm. »Sie schreibt über dich, nur über dich.«
    In dem entscheidenden Punkt Marion betreffend waren sich Eddie und Ruth einig: Sie wollten ihr zugestehen, so lange verschwunden zu bleiben, wie sie es wollte. »Sie weiß, wo wir zu finden sind, Eddie«, sagte Ruth zu ihrem neu gewonnenen Freund, aber Eddie, der es für unwahrscheinlich hielt, daß Marion ihn jemals wiedersehen wollte, bereitete diese Annahme fortwährenden Kummer.
    Als Ruth in New York landete, rechnete sie damit, hinter dem Zoll von Allan erwartet zu werden; daß sie ihn zusammen mit Hannah dort stehen sah, erstaunte sie. Ihres Wissens waren sich die beiden nie begegnet; sie zusammen da stehen zu sehen verursachte Ruth tiefstes Unbehagen. Sie wußte, daß sie mit Allan hätte schlafen sollen, bevor sie nach Europa abgereist war – nun hatte er statt dessen mit Hannah geschlafen! Aber wie war das möglich? Sie kannten sich doch gar nicht; und doch sahen sie aus wie ein Paar.
    In Ruths Augen sahen sie aus wie »ein Paar«, weil sie anscheinend ein schreckliches Geheimnis miteinander teilten; sie wirkten sehr zerknirscht, als sie Ruth erblickten. Nur eine Schriftstellerin konnte sich solchen Unsinn einbilden. (Zum Teil war wohl Ruths perverse Fähigkeit, sich einfach alles vorzustellen, schuld daran, daß sie sich das Offensichtliche in diesem Moment nicht vorstellen konnte.)
    »Ach, Baby, Baby …«, sagte Hannah zu ihr. »Es ist alles meine Schuld!« Hannah hielt eine völlig zerknitterte New York Times in der Hand; die Zeitung war zu einer unförmigen Rolle zusammengedreht, so, als hätte Hannah sie ausgewrungen, bis sie völlig verunstaltet war.
    Ruth stand da und wartete darauf, daß Allan sie küßte, aber er wandte sich an Hannah: »Sie weiß es nicht.«
    »Was weiß ich nicht?« fragte Ruth alarmiert.
    »Dein Vater ist tot, Ruth«, sagte Allan.
    »Er hat sich umgebracht, Baby«, sagte Hannah.
    Ruth war fassungslos. Sie hätte ihren Vater für unfähig gehalten, sich das Leben zu nehmen, weil sie ihn nie für fähig gehalten hatte, sich selbst an irgend etwas die Schuld zu geben.
    Hannah hielt ihr die Times hin oder vielmehr deren zerknitterten Rest. »Der Nachruf ist beschissen«, sagte Hannah. »Darin ist nur von seinen schlechten Rezensionen die Rede. Ich wußte gar nicht, daß er so viele schlechte Rezensionen bekommen hat.«
    Wie betäubt las Ruth den Nachruf. Das fiel ihr leichter, als mit Hannah zu reden.
    »Ich bin Hannah hier auf dem Flughafen begegnet«, erklärte Allan. »Sie hat sich vorgestellt.«
    »Ich habe den miesen Nachruf in der Zeitung gelesen«, sagte Hannah. »Und ich wußte, daß du heute zurückkommst, also habe ich in Sagaponack angerufen und mit Eduardo gesprochen. Er hat ihn gefunden. Von ihm habe ich auch deine Flugnummer erfahren.«
    »Armer Eduardo«, sagte Ruth.
    »Ja, er ist ganz am Boden zerstört«, sagte Hannah. »Und hier am Flughafen habe ich natürlich Ausschau nach Allan gehalten. Ich bin davon ausgegangen, daß er da ist. Ich kannte ihn ja von einem Foto …«
    »Ich weiß, was meine Mutter macht«, eröffnete Ruth den beiden. »Sie ist Schriftstellerin. Sie schreibt Kriminalromane, aber das ist noch nicht alles.«
    »Sie blockt ab«, erklärte Hannah Allan. »Armes Baby«, sagte sie zu Ruth. »Es ist alles meine Schuld. Ich bin dafür verantwortlich!«
    »Es ist nicht deine Schuld, Hannah. Daddy hat keinen Gedanken mehr an dich verschwendet«, sagte Ruth. »Es ist meine Schuld. Ich habe ihn umgebracht. Erst habe ich ihn beim Squash fix und fertig gemacht, dann habe ich ihn umgebracht. Du hast damit nichts zu tun.«
    »Sie ist wütend. Es ist gut, daß sie wütend ist«, sagte Hannah zu Allan. »Wut, die man rauslassen kann, tut einem gut. Schlecht ist nur, wenn man sie in sich hineinfrißt.«
    »Fick dich doch ins Knie!« sagte Ruth zu ihrer besten Freundin.
    »Das ist gut, Baby. Ich meine es ernst,

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