Witwe für ein Jahr (German Edition)
wahrscheinlich war der Motor fast die ganze Nacht gelaufen –, und Ted hatte das Gaspedal leicht mit einem Squashschläger beschwert. Es war einer von Ruths alten Squashschlägern; der Kopf lag auf dem Gaspedal, und den Griff hatte Ted unter den Vordersitz geklemmt. Auf diese Weise lief der Motor im Leerlauf hochtourig genug, um nicht abzusterben.
Die Falltür zum Squashcourt im oberen Teil der Scheune war offen. Eduardo kletterte die Leiter hinauf; er konnte kaum atmen, weil die Auspuffgase nach oben gestiegen waren. Ted lag tot auf dem Boden des Squashcourts. Er war angezogen, als wollte er spielen. Vielleicht hatte er eine Zeitlang Bälle geschlagen und war ein bißchen hin und her gelaufen. Als er müde wurde, legte er sich auf den Boden, genau auf das T; er hatte Ruth stets eingeschärft, sich diese Position zu erkämpfen und sie zu verteidigen, als hinge ihr Leben davon ab, weil es die Position auf dem Squashcourt war, von der aus man das Spiel am besten beherrschte.
Später bereute Eduardo, daß er den großen, dunkelgrünen Müllsack geöffnet und seinen Inhalt inspiziert hatte, bevor er ihn in die Tonne warf. Er konnte die vielen Zeichnungen von Mrs. Vaughns Geschlechtsteilen nie mehr vergessen, auch wenn er nur Fetzen und Schnipsel davon gesehen hatte. Die Schwarzweißfotos erinnerten den Gärtner auf grausige Weise daran, welche Faszination gedemütigte und demoralisierte Frauen auf Ted Cole ausgeübt hatten. Mit einem flauen Gefühl im Magen warf Eduardo die Fotos in den Müll.
Ted hatte keinen Abschiedsbrief hinterlassen, es sei denn, man läßt den Zettel am Müllsack als solchen gelten – CONCHITA, BITTE WERFEN SIE DIESEN MÜLL WEG, BEVOR RUTH NACH HAUSE KOMMT. Und er hatte vorausgesehen, daß Eduardo zum Telefonieren in die Küche laufen würde, denn dort, auf dem Block neben dem Telefon, stand eine zweite Nachricht: EDUARDO, RUFEN SIE RUTHS LEKTOR ALLAN ALBRIGHT AN. Darunter war Allans Nummer bei Random House angegeben. Eduardo rief, ohne zu zögern, dort an.
Doch so dankbar Ruth Allan auch war, daß er sich um alles kümmerte, sie konnte nicht aufhören, das Haus zu durchsuchen, weil sie hoffte, ihr Vater habe ihr eine Nachricht hinterlassen. Daß offensichtlich keine solche Nachricht existierte, verwirrte sie; ihr Vater hatte immer etwas zu seiner Rechtfertigung zu sagen gewußt, er hatte sich unermüdlich verteidigt.
Sogar Hannah war gekränkt, daß er ihr keine Nachricht hinterlassen hatte, wenngleich sie sich einredete, daß der Anrufer auf ihrem Anrufbeantworter, der aufgelegt hatte, Ted gewesen sein mußte.
»Wenn ich doch nur dagewesen wäre, als er angerufen hat!« sagte Hannah später zu Ruth.
»Wenn nur …«, sagte Ruth.
Die improvisierte Trauerfeier für Ted Cole fand in der staatlichen Grundschule in Sagaponack statt. Die Schulverwaltung und die Lehrerschaft hatten Ruth angerufen und ihr die Räumlichkeiten angeboten. Ruth war gar nicht bewußt gewesen, daß ihr Vater ein so großer Wohltäter der Schule gewesen war. Zweimal hatte er den Schulhof mit neuen Spielgeräten bestückt; jedes Jahr stiftete er Zeichenutensilien für die Kinder; niemand hatte der Bücherei in Bridgehampton, die von allen in Sagaponack wohnenden Schulkindern frequentiert wurde, so viele Kinderbücher gespendet wie er. Außerdem hatte er – und auch das wußte Ruth nicht – den Kindern in den Märchenstunden oft vorgelesen und war jedes Jahr mindestens ein halbes dutzendmal in die Schule gekommen, um den Kindern Zeichenunterricht zu geben.
Und so wurde zwischen winzigen Schulbänken und Stühlen, umgeben von Wänden voller Kinderzeichnungen mit den Hauptfiguren aus Ted Coles Büchern, eine Gedenkfeier für den berühmten Autor und Illustrator abgehalten. Eine allseits beliebte, inzwischen pensionierte Lehrerin sprach liebevoll davon, daß Ted sich der Unterhaltung von Kindern verschrieben habe, auch wenn sie seine Bücher miteinander verwechselte; sie hielt den Maulwurfmann für ein Geschöpf, das unter der furchteinflößenden Tür im Boden lauert, und meinte, das nicht zu beschreibende Geräusch, das sich anhört, wie wenn jemand versucht, kein Geräusch zu machen, stamme von der mißverstandenen Maus, die in der Wand krabbelt. Auf den Kinderzeichnungen an den Wänden sah Ruth so viele Mäuse und Maulwurfmänner, daß sie für den Rest ihres Lebens genug davon hatte.
Der einzige auswärtige Trauergast außer Allan und Hannah war der Galeriebesitzer aus New York, der mit dem Verkauf von Ted Coles
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