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Witwe für ein Jahr (German Edition)

Witwe für ein Jahr (German Edition)

Titel: Witwe für ein Jahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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stimmte. »Aber wo ist Daddy jetzt?« Tränen traten in seine Augen. Ein halbes Jahr lang oder länger hatte er diese Frage nicht mehr gestellt.
    Wie dumm von mir, mit ihm hierherzukommen! dachte Ruth, während sie ihren weinenden Sohn in die Arme schloß.
    Ruth saß noch in der Badewanne, als Hannah eintraf und eine Menge Geschenke für Graham mitbrachte, alle völlig ungeeignet, um sie mit ins Flugzeug zu nehmen: ein ganzes Dorf aus zusammensteckbaren Bauklötzen und nicht nur ein Steifftier, sondern eine ganze Affenfamilie. Ruth würde die Hotelleitung bitten müssen, das Dorf und die Affen für sie zu verwahren, was ziemliche Umstände bereiten würde, wenn sie sich auf dem Rückweg für ein anderes Hotel entschieden.
    Graham schien sich im Nu vollständig von den Erinnerungen an den Tod seines Vaters erholt zu haben, die diese Umgebung bei ihm ausgelöst hatte. Kinder sind nun mal so – erst untröstlich, dann ebenso schnell darüber hinweg –, während Ruth sich mit den Erinnerungen abfand, die der Aufenthalt im Stanhope bei ihr weckte. Sie gab Graham einen Gutenachtkuß; er besprach mit Amanda bereits die Speisekarte des Zimmerservice, als Ruth und Hannah zu der Lesung aufbrachen.
    »Ich hoffe, du liest die tolle Stelle«, sagte Hannah.
    Für Hannah war die »tolle Stelle« die aufwühlende Sexszene mit dem holländischen Freund im Fensterzimmer der Prostituierten. Ruth hatte mit Sicherheit nicht die Absicht, diese Szene jemals vorzulesen.
    »Was meinst du, ob du ihn wiedersiehst?« fragte Hannah sie auf dem Weg ins Y. »Ich meine, er wird das Buch doch bestimmt lesen …«
    »Ob ich wen wiedersehe?« fragte Ruth, obwohl sie genau wußte, wen Hannah meinte.
    »Den jungen Holländer, wer immer es ist«, antwortete Hannah. »Und erzähl mir bloß nicht, daß es keinen jungen Holländer gegeben hat!«
    »Ich habe nie mit einem jungen Holländer geschlafen, Hannah.«
    »Ich wette, daß er das Buch liest«, fuhr Hannah fort.
    Als sie an die Kreuzung 92nd Street und Lexington Avenue kamen, freute Ruth sich schon fast auf Eddies Einführung, denn dann brauchte sie sich wenigstens Hannahs Gerede nicht mehr anzuhören.
    Natürlich hatte Ruth die Möglichkeit bedacht, daß Wim Jongbloed Mein letzter schlimmer Freund gelesen hatte und irgendwann auftauchen würde; sie hatte sich vorgenommen, ihn so unterkühlt zu behandeln wie nötig. Falls er auf sie zukam … Und sie war überrascht und erleichtert, wenn auch ein bißchen enttäuscht, als sie von Maarten erfuhr, daß Rooies Mörder in Zürich gefaßt worden war. Kurze Zeit später war er, wie Maarten und Sylvia nebenbei erwähnten, gestorben!
    »Ich nehme nicht an, daß man den Mörder dieser Prostituierten jemals gefunden hat, oder?« hatte sich Ruth betont gleichgültig erkundigt. (Sie hatte die Frage vor kurzem am Telefon gestellt, als sie den Ablauf der bevorstehenden Promotion-Tour besprochen hatten.) Maarten und Sylvia hatten damals nichts davon mitbekommen, weil sie nicht in Amsterdam waren; und als sie es im nachhinein erfuhren, dachten sie nicht mehr daran, daß Ruth sich dafür interessiert hatte.
    »In Zürich?« hatte Ruth nachgefragt. Daher also hatte der Maulwurfmann seinen deutsch klingenden Akzent. Er war Schweizer!
    »Ich glaube, es war in Zürich«, hatte Maarten geantwortet. »Der Kerl hat noch einige andere Prostituierte umgebracht, in ganz Europa.«
    »Aber nur eine in Amsterdam«, hatte Sylvia hinzugefügt.
    Nur eine! dachte Ruth. Sie gab sich alle Mühe, sich ihr Interesse an dem Fall nicht anmerken zu lassen. »Ich möchte zu gern wissen, wie man ihn gefunden hat«, überlegte sie laut.
    Aber an Einzelheiten konnten sich Maarten und Sylvia nicht mehr erinnern. Der Mörder war geschnappt worden und dann vor ein paar Jahren gestorben.
    »Vor ein paar Jahren!« wiederholte Ruth.
    »Ich glaube, es gab einen Zeugen«, sagte Sylvia.
    »Fingerabdrücke gab es auch, glaube ich. Und der Bursche war schwer krank«, fügte Maarten hinzu.
    »Hatte er Asthma?« fragte Ruth, der es plötzlich egal war, ob sie sich verriet.
    »Ich glaube, er hatte ein Lungenemphysem«, sagte Sylvia.
    Ja, das ist gut möglich! dachte Ruth, aber wichtig war im Grunde nur, daß der Maulwurfmann gefaßt worden war. Er war tot! Und sein Tod machte es Ruth erträglich, Amsterdam noch einmal einen Besuch abzustatten – dem Ort des Verbrechens. Ihres Verbrechens, wie sie es sah.
    Eddie O’Hare war nicht nur rechtzeitig zu Ruths Lesung da; er war so früh da, daß er eine Stunde

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