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Witwe für ein Jahr (German Edition)

Witwe für ein Jahr (German Edition)

Titel: Witwe für ein Jahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Mehl abbekommen, und auch an der Stirn waren Mehlspuren, weil sie sich mit dem Handrücken die Haare aus dem Gesicht gestrichen hatte.
    »Hi!« rief Ruth ihren Gästen zu.
    Hannah hatte Ruth noch nie so gesehen; glücklich war gar kein Ausdruck.
    Ja, das ist Liebe, wurde Eddie klar; er war noch nie so deprimiert gewesen. Wenn er Ruth ansah, fragte er sich, wie er je auf den Gedanken hatte kommen können, daß sie Marion ähnlich war, wie er sich je hatte einbilden können, in sie verliebt zu sein.
    Hannahs Blick wanderte hin und her; erst begehrlich zu Harry, dann neidisch zu Ruth. Sie sind verliebt, verdammt noch mal! dachte sie und fühlte sich ganz elend.
    »Du hast Mehl an der Stirn, Baby«, sagte sie zu Ruth und küßte sie auf die Wange. »Hast du dieses Geräusch gehört?« flüsterte sie ihrer alten Freundin ins Ohr. »Das war mein Höschen, das zu Boden geglitten ist – nein, geknallt!«
    »Meines auch«, gestand Ruth und errötete.
    Ruth hat es bekommen, dachte Hannah, das Leben, das sie sich immer gewünscht hat. Sie hat es bekommen. Aber sie sagte nur: »Ich muß mir die Haare waschen, Baby. Und mich ein bißchen zurechtmachen.« (Hannah sah Harry bewußt nicht mehr an, sie ertrug es einfach nicht.)
    Da stürzte Graham aus der Küchentür und lief auf sie zu. Er schlang seine Arme um ihre Hüften und warf sie beinahe um. Eine willkommene Ablenkung. »Wer ist denn dieser Bengel?« rief Hannah. »Das kann doch nicht mein Patenkind sein, dafür ist er zu groß! Wer ist bloß dieser Bengel?«
    »Ich bin es! Graham!« schrie Graham.
    »Du kannst nicht Graham sein, dafür bist du zu groß«, erklärte Hannah, hob ihn hoch und küßte ihn.
    »Doch, ich bin es, Graham!« rief Graham.
    »Das glaube ich einfach nicht«, sagte Hannah.
    »Doch, ich bin es, Graham!« wiederholte der Junge.
    »Komm, zeig mir mein Zimmer, Graham«, forderte Hannah ihn auf. »Und hilf mir, die Dusche anzumachen oder die Badewanne einlaufen zu lassen. Ich muß mir die Haare waschen.«
    »Hast du geweint, Hannah?« fragte der Junge. Ruth sah Hannah an, die den Blick abwandte. Harry und Eddie standen neben der Küchentür und bewunderten Harrys wachsenden Holzstapel.
    »Alles in Ordnung?« fragte Ruth ihre Freundin.
    »Ja. Eddie hat mich gerade gebeten, mit ihm zu leben, nur hat er es nicht so gemeint«, fügte sie hinzu. »Er wollte nur eine Wohngemeinschaft.«
    »Das ist aber eigenartig«, meinte Ruth.
    »Aber das ist noch lange nicht alles!« sagte Hannah und gab Graham noch einen Kuß.
    Graham war schwer. Hannah war es nicht gewohnt, einen Vierjährigen zu tragen. Sie ging mit ihm ins Haus, um sich ihr Zimmer zeigen zu lassen, um zu duschen oder zu baden, um einzutauchen in die frische Erinnerung daran, wie Liebe aussieht – nur für den Fall, daß sie ihr eines Tages begegnen sollte.
    Aber sie wußte, daß ihr das nie passieren würde.
    Ein glückliches Paar, seine zwei unglücklichen Freunde

    Ruth Cole und Harry Hoekstra heirateten am Morgen des Thanksgiving Day in dem kaum benutzten Wohnzimmer von Ruths Haus auf Long Island. Ruth konnte sich keine bessere Art vorstellen, sich von diesem Haus zu verabschieden, als darin zu heiraten. Die Diele unten und der Flur im ersten Stock waren mit Stapeln von Kisten gesäumt, die für die Umzugsfirma entsprechend beschriftet waren. An jedem Möbelstück hing entweder ein rotes oder ein grünes Schildchen. Rot bedeutete, daß die Packer es stehenlassen, grün, daß sie es nach Vermont bringen sollten.
    Sollte das Haus bis zum Sommer nicht verkauft sein, würde Ruth es vermieten. Die meisten Möbelstücke wollte sie hierlassen, da sie sie nicht besonders mochte. An dieses Haus in den Hamptons knüpften sich für sie keine glücklichen Erinnerungen, mit Ausnahme der Zeit, die sie mit Allan hier verlebt hatte. (Mit dem Haus in Vermont brachte sie Allan kaum in Verbindung, was vielleicht nur gut war.)
    Eddie registrierte sofort, daß sämtliche Fotos von den Wänden entfernt worden waren; vermutlich befanden sie sich in einem der Umzugskartons. Anders als beim letztenmal, als Eddie das Haus ohne Bilder erlebt hatte, waren auch die Bilderhaken entfernt worden; die Löcher in den Wänden waren ausgespachtelt und die Wände frisch gestrichen oder tapeziert worden. Ein potentieller Käufer würde nie merken, wie viele Fotos einst hier gehangen hatten.
    Ruth sagte zu Eddie und Hannah, den Geistlichen für den Hochzeitsgottesdienst habe sie sich von einer Kirche in Bridgehampton »ausgeliehen«. Es war

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