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Witwe für ein Jahr (German Edition)

Witwe für ein Jahr (German Edition)

Titel: Witwe für ein Jahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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ist mit Timothy passiert?« wollte Ruth wissen, obwohl sie die Geschichte zu dem Foto ebensogut kannte wie Marion. Inzwischen kannte auch Eddie sämtliche Geschichten.
    »Thomas hat ihn in eine Pfütze geschubst«, antwortete Marion.
    »Und wie alt war Timothy da?«
    »So alt wie du, Schätzchen. Er war gerade vier …«
    Eddie kannte auch das nächste Foto: Thomas in seiner Eishockeymontur, nach einem Spiel auf der Kunsteisbahn von Exeter. Er steht da und hat den Arm um seine Mutter gelegt, als hätte sie das ganze Spiel hindurch gefroren; gleichzeitig sieht man ihr an, daß sie ungeheuer stolz darauf ist, daß ihr Sohn den Arm um sie legt. Obwohl Thomas seine Schlittschuhe ausgezogen hat und absurderweise in voller Hockeymontur, aber mit offenen Basketballschuhen dasteht, überragt er Marion um ein ganzes Stück. Ruth mochte dieses Foto deshalb so gern, weil Thomas so breit grinst und sich einen Puck zwischen die Zähne geschoben hat.
    Kurz bevor Eddie einschlief, hörte er, wie Ruth ihre Mutter fragte: »Wie alt ist Thomas mit diesem Ding im Mund?«
    »So alt wie Eddie«, hörte Eddie Marion sagen. »Er war gerade sechzehn …«
    Gegen sieben Uhr morgens klingelte das Telefon. Marion, die noch im Bett lag, nahm ab. Das Schweigen am anderen Ende der Leitung verriet ihr, daß es Mrs. Vaughn war. »Er ist im anderen Haus«, sagte Marion; dann legte sie auf.
    Beim Frühstück sagte sie zu Eddie: »Ich wette, daß er mit ihr Schluß macht, bevor Ruths Fäden gezogen werden.«
    »Aber sollen die nicht am Freitag gezogen werden?« fragte Eddie. (Bis Freitag waren es nur noch zwei Tage.)
    »Ich wette, daß er heute mit ihr Schluß macht«, entgegnete Marion. »Oder es zumindest versucht. Wenn sie es ihm schwermacht, braucht er vielleicht noch ein paar Tage.«
    Mrs. Vaughn sollte es ihm wahrhaftig schwermachen. Ted, der das wohl vorausahnte, versuchte mit Mrs. Vaughn Schluß zu machen, indem er Eddie hinschickte, statt selbst zu gehen.
    » Was soll ich tun?« fragte Eddie. Sie standen an dem größten Tisch in Teds Arbeitszimmer, auf dem ein Stapel mit rund hundert Zeichnungen von Mrs. Vaughn lag. Nachdem Ted sie eingepackt hatte, ließ sich die prall gefüllte Aktenmappe kaum mehr schließen; es war die größte Mappe, die er besaß, aus braunem Leder mit goldgeprägten Initialen – T. T. C. (Theodore Thomas Cole).
    »Du gibst ihr diese Blätter, aber nicht die Mappe. Gib ihr nur die Zeichnungen. Die Mappe will ich zurückhaben«, instruierte Ted den Jungen, der wußte, daß die Mappe ein Geschenk von Marion war. (Das hatte Marion ihm erzählt.)
    »Aber besuchst du Mrs. Vaughn denn heute nicht?« fragte Eddie. »Rechnet sie denn nicht mit dir?«
    »Sag ihr, daß ich nicht komme, aber daß ich ihr die Zeichnungen geben möchte«, antwortete Ted.
    »Sie wird mich fragen, wann du kommst«, entgegnete Eddie.
    »Sag ihr, du weißt es nicht. Gib ihr nur die Zeichnungen. Sag so wenig wie möglich«, lautete Teds Anweisung. Eddie blieb kaum Zeit, Marion davon zu berichten.
    »Er schickt dich, um mit ihr Schluß zu machen? So ein Feigling!« sagte Marion und strich Eddie auf die ihr eigene mütterliche Art übers Haar. Er war überzeugt, daß sie gleich wieder eine Bemerkung über seinen Haarschnitt machen würde, mit dem sie nie zufrieden war. Doch statt dessen sagte sie: »Du fährst besser frühzeitig hin, bevor sie fertig angezogen ist. Dann ist es weniger wahrscheinlich, daß sie dich hereinbittet. Schließlich willst du vermeiden, daß sie dich mit Fragen löchert. Am besten wäre es wohl, einfach nur zu klingeln und ihr die Zeichnungen zu geben. Sieh zu, daß sie dich nicht ins Haus kriegt und die Tür hinter dir zumacht – glaub mir. Und paß auf, daß sie dich nicht umbringt.«
    Mit diesen Ermahnungen im Hinterkopf fand sich Eddie zu früher Stunde in der Gin Lane ein. Am Beginn der teuer bekiesten Einfahrt hielt er neben der imposanten Ligusterhecke an, um die hundert Zeichnungen von Mrs. Vaughn aus der Ledermappe zu nehmen, da er befürchtete, es könnte problematisch werden, der kleinen, dunkelhaarigen Frau die Zeichnungen auszuhändigen und die Mappe zurückzufordern, während sie wutentbrannt vor ihm stand. Aber Eddie hatte den Wind unterschätzt. Nachdem er die Mappe auf dem Rücksitz des Chevy deponiert und die Zeichnungen auf den Beifahrersitz gelegt hatte, brachte der Wind den Stapel durcheinander; Eddie mußte sämtliche Autofenster schließen, um die Zeichnungen wieder zu ordnen. Dabei konnte er nicht umhin,

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