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Witwe für ein Jahr (German Edition)

Witwe für ein Jahr (German Edition)

Titel: Witwe für ein Jahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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restlichen pornographischen Fetzen einzusammeln (wie Mrs. Vaughn ihm befohlen hatte). Es erschien ihm wider jede Vernunft, auch nur einen Finger für die Frau zu rühren, die ihn nicht nur gefeuert, sondern ihn seinem tödlichen Schicksal überlassen hatte; doch als er beschloß, von hier zu verschwinden, stellte er fest, daß der leergelaufene Lincoln die Einfahrt versperrte. Eduardos Lieferwagen, der sonst immer außer Sichtweite geparkt war (hinter dem Geräteschuppen und der Garage), konnte sich nicht an der Ligusterhecke vorbeizwängen, solange der Lincoln im Weg stand. Der Gärtner mußte Benzin aus dem Rasenmäher absaugen, um den stehengebliebenen Wagen zu starten und in die Garage zurückzufahren. Doch leider blieb dieses Tun Mrs. Vaughn nicht verborgen.
    Sie stellte Eduardo im Hof, wo nur der Springbrunnen die beiden voneinander trennte. Das verschmutzte Becken war inzwischen so unansehnlich wie ein seichtes Vogelbad, in dem Hunderte von Fledermäusen ertrunken waren. Mrs. Vaughn hielt etwas in der Hand – einen Scheck, den der am Boden zerstörte Gärtner argwöhnisch beäugte; als Mrs. Vaughn sich anschickte, das schwärzliche Wasser in seine Richtung zu umrunden, bewegte er sich hinkend seitwärts, so daß der Brunnen zwischen ihnen blieb.
    »Wollen Sie ihn denn nicht? Es ist Ihr letzter Gehaltsscheck!« sagte die bösartige, kleine Frau.
    Eduardo blieb stehen. Wenn sie ihm sein Geld gab, würde er vielleicht noch dableiben und den Rest der pornographischen Fetzen wegräumen. Immerhin war die Pflege des Vaughnschen Anwesens viele Jahre lang seine Haupteinnahmequelle gewesen. Er war ein stolzer Mann, und dieses winzige Miststück hatte ihn gedemütigt; aber er überlegte sich, daß dieser Scheck, auch wenn es der letzte war, den er von ihr bekommen würde, recht ansehnlich sein mußte.
    Mit ausgestreckter Hand ging Eduardo langsam und vorsichtig um den verdreckten Brunnen auf Mrs. Vaughn zu. Sie ließ ihn näher kommen. Er hatte sie schon fast erreicht, da faltete sie den Scheck mit mehreren hastigen Handgriffen, und als er in etwa die Form eines Schiffchens hatte, warf sie ihn in die schmutzige Brühe. Der Scheck schwamm in die Mitte des schwärzlichen Beckens. Eduardo blieb nichts anderes übrig, als hineinzuwaten, was er, zitternd vor Empörung, tat.
    »Gehen Sie doch fischen«, kreischte Mrs. Vaughn.
    Schon als er den Scheck aus dem Wasser angelte, bemerkte er, daß die Tinte verlaufen war; man konnte weder den Betrag lesen noch Mrs. Vaughns verkrampfte Unterschrift. Noch bevor er aus dem nach Fisch stinkenden Brunnen steigen konnte, wußte er (auch ohne einen Blick auf die hagere, sich entfernende Gestalt zu werfen), daß die Tür ein zweites Mal zuknallen würde. Er trocknete den wertlosen Scheck an seiner Hose ab und steckte ihn in die Brieftasche; warum er sich die Mühe machte, wußte er selbst nicht.
    Pflichtbewußt trug Eduardo die Leiter an ihren Platz neben dem Geräteschuppen zurück. Er entdeckte einen Rechen, den er hatte reparieren wollen, überlegte kurz, was er damit machen sollte, und ließ ihn dann auf der Werkbank im Geräteschuppen liegen. Dann wollte er eigentlich nach Hause, humpelte auch schon langsam auf seinen Lieferwagen zu, doch plötzlich fiel sein Blick auf die drei Laubsäcke, in die er die zerfetzten Zeichnungen gefüllt hatte; er hatte sich ausgerechnet, daß noch zwei Tüten voll würden, bis das restliche Zeug weggeräumt war.
    Eduardo nahm den ersten der drei Säcke und leerte ihn auf den Rasen. Sogleich blies der Wind einen Teil der Papierfetzen umher, aber der Gärtner war mit dem Ergebnis noch nicht zufrieden; obwohl ihm sein Fuß weh tat, lief er durch den Haufen Papierschnipsel und wirbelte ihn auf wie ein Kind einen Laubhaufen. Die länglichen Fetzen flogen durch den Garten und schmückten das Vogelbad. Die Strandrosen im hinteren Teil des Gartens, durch den der Weg zum Strand führte, schienen die Papierstreifen und -schnipsel magisch anzuziehen; sie blieben an allem hängen, womit sie in Berührung kamen, wie Lametta an einem Weihnachtsbaum.
    Mit den verbliebenen zwei Säcken humpelte der Gärtner vors Haus. Den ersten leerte er in den Springbrunnen, wo die stattliche Papiermenge das schwärzliche Wasser aufsog wie ein riesiger Schwamm, der sich danach nicht mehr bewegen ließ. Der letzte volle Sack, der zufällig einige der besten (wenn auch weitgehend zerstörten) Abbildungen von Mrs. Vaughns Schoß enthielt, stellte keine große Herausforderung für

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