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Witwe für ein Jahr (German Edition)

Witwe für ein Jahr (German Edition)

Titel: Witwe für ein Jahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Marion.
    ›Hört auf, ihr zwei‹, sagte Thomas. ›Ich will keinen Strafzettel kassieren, Mam.‹
    ›Na gut, dann bieg eben hier ab‹, sagte Marion.
    ›Dann tu’s aber auch, Tommy, sitz nicht einfach nur da‹, sagte Ted.
    ›Tolle Beifahrer, wirklich‹, bemerkte Timothy. Dann fiel ihm auf, daß sein Bruder die Räder nach links eingeschlagen hatte, während er darauf wartete, abbiegen zu können. ›Du hast schon wieder zu früh eingeschlagen‹, wies Tim ihn zurecht.
    ›Nur weil ich dachte, ich würde abbiegen, und dann dachte ich, lieber doch nicht, du Arschloch!‹ sagte Thomas.
    ›Bitte, Tommy, sag zu deinem Bruder nicht Arschloch‹, ermahnte Marion ihren Sohn.
    ›Wenigstens nicht in Gegenwart deiner Mutter‹, fügte Ted hinzu.
    ›Nein, das meine ich nicht‹, sagte Marion zu ihrem Mann. ›Ich meine, er soll zu seinem Bruder nicht Arschloch sagen – prinzipiell.‹
    ›Hast du das gehört, Arschloch?‹ fragte Timothy seinen Bruder.
    ›Timmy, bitte …‹, sagte Marion.
    ›Nach dem Schneepflug kannst du abbiegen‹, erklärte Ted seinem Sohn.
    ›Ich weiß, Dad. Schließlich bin ich der Fahrer‹, sagte der Siebzehnjährige.
    Doch plötzlich wurde das Wageninnere von Licht durchflutet. Es waren die Scheinwerfer eines von hinten kommenden Autos. Es war ein großer Kombi mit College-Studenten aus New Jersey. Sie waren noch nie in Colorado gewesen. Gut möglich, daß es in New Jersey keinen Unterschied zwischen Abbiegespuren und Überholspuren gibt.
    Jedenfalls waren die jungen Leute der Meinung, sie würden überholen. Bis zum letzten Moment sahen sie nicht, daß vor ihnen ein Auto links abbiegen wollte, sobald der entgegenkommende Schneepflug vorbeigefahren war. Und so fuhren sie auf das stehende Auto auf, und da Thomas die Räder bereits eingeschlagen hatte, wurde er auf die Gegenfahrbahn geschoben, auf der, mit einer Geschwindigkeit von rund sechzig Stundenkilometern, ein riesiger Schneepflug daherkam. Die Studenten sagten später aus, ihr Kombi sei etwa fünfundsiebzig gefahren.«
    »Mein Gott …«, sagte Eddie.
    »Der Schneepflug schnitt den Wagen fast genau in zwei Hälften«, fuhr Ted fort. »Thomas wurde von der Lenksäule getötet, die seinen Brustkorb zertrümmerte. Er war auf der Stelle tot. Und Ted, der hinter ihm saß, war etwa zwanzig Minuten lang auf dem Rücksitz eingeklemmt. Er konnte Thomas nicht sehen, wußte aber, daß er tot war, weil Marion ihn sehen konnte, und auch wenn sie das Wort ›tot‹ nie in den Mund genommen hätte, wiederholte sie ein ums andere Mal: ›O Gott, Ted, Tommy ist nicht mehr da. Tommy ist nicht mehr da. Kannst du Timmy sehen? Timmy ist doch noch da, oder? Kannst du sehen, ob er noch da ist?‹
    Da Marion über eine halbe Stunde lang auf dem Rücksitz hinter Timothy eingeklemmt war, konnte sie ihn nicht sehen. Ted hingegen sah seinen jüngeren Sohn, der mit dem Kopf durch die Windschutzscheibe geknallt und bewußtlos war, recht gut; Timothy lebte noch eine Weile. Ted sah, daß er atmete, allerdings konnte er nicht sehen, daß der Schneepflug, als er den Wagen in zwei Teile zerschnitt, Timmys linkes Bein am Oberschenkel abgetrennt hatte. Während Sanitäter und Rettungsmannschaften sich bemühten, die Unfallopfer aus dem zerbeulten Wagen zu befreien, der zwischen Schneepflug und Kombi zusammengequetscht worden war, verblutete Timothy aus der abgetrennten Oberschenkelarterie.
    Endlos lang, wie es ihm vorkam – dabei waren es keine fünf Minuten –, mußte Ted mit ansehen, wie sein jüngerer Sohn starb. Er selbst hatte sich nur ein paar Rippen gebrochen, sonst war er unverletzt. Da er etwa zehn Minuten früher aus dem Wrack befreit wurde als Marion, sah er, wie die Sanitäter Timmys Körper (nicht aber sein linkes Bein) aus dem Wrack bargen. Sein abgetrenntes Bein klemmte noch immer zwischen Fahrersitz und Schneepflug, als Marion endlich aus dem hinteren Teil des Wagens geholt wurde. Sie wußte, daß Thomas tot war, aber von Timothy wußte sie nur, daß man ihn aus dem Wrack geborgen hatte – und ins Krankenhaus gebracht, wie sie hoffte, denn sie fragte Ted immer wieder: ›Timmy ist doch noch da, oder? Kannst du sehen, ob er noch da ist?‹
    Ted war zu feige, diese Frage zu beantworten. Er bat einen der Sanitäter, Timmys Bein mit einer Plane zuzudecken, um Marion den Anblick zu ersparen. Nachdem sie aus dem Wrack befreit worden war – sie konnte sogar auf den Beinen stehen und hinkte umher, obwohl sich später herausstellte, daß sie sich den

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