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Witwe für ein Jahr (German Edition)

Witwe für ein Jahr (German Edition)

Titel: Witwe für ein Jahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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auch einer dieser trivialen Punkte, um die es in dem Streit zwischen Ted und Marion ging«, erklärte Ted. »Marion behauptete, Ted sei betrunken, obwohl das seiner Ansicht nach nicht zutraf. Und Marion war zwar nicht betrunken, hatte jedoch an diesem Spätnachmittag mehr getrunken als üblich. Als Thomas und Timothy ihre Eltern in der Bar abholten, war beiden klar, daß weder ihr Vater noch ihre Mutter in der idealen Verfassung waren, um einen Mietwagen zu fahren. Außerdem hatte Thomas den Führerschein, und er hatte nichts getrunken. Es war also gar keine Frage, wer von ihnen fahren würde.«
    »Dann fuhr also Thomas«, unterbrach Eddie.
    »Und wie das bei Brüdern so ist, saß Timothy neben ihm auf dem Beifahrersitz. Und die Eltern saßen da, wo heutzutage die meisten Eltern landen: auf dem Rücksitz. Und dort fuhren sie fort, das zu tun, was die meisten Eltern ununterbrochen tun: Sie stritten weiter, auch wenn es dabei um recht triviale Dinge ging, um die immer gleichen Banalitäten. Zum Beispiel hatte Ted den Schnee von der Windschutzscheibe gewischt, nicht aber vom Rückfenster. Marion behauptete, Ted hätte auch das Rückfenster frei machen sollen. Ted hielt dem entgegen, daß der Schnee herunterrutschen würde, sobald sich der Wagen bewegte und warm wurde. Und obwohl sich das als zutreffend herausstellte und der Schnee vom Rückfenster rutschte, sobald sie zügig dahinfuhren, stritten Marion und Ted weiter. Nur das Thema wechselte; trivial blieb es weiterhin.
    Die Familie befand sich in einem dieser Skiorte, die an sich nicht der Rede wert sind. Die Hauptstraße ist im Grunde eine dreispurige Schnellstraße, deren mittlere Spur zum Linksabbiegen gedacht ist, obwohl es jede Menge Trottel gibt, die so eine Abbiegespur mit einer Überholspur verwechseln, falls du weißt, was ich meine. Ich hasse dreispurige Schnellstraßen, Eddie, du etwa nicht?«
    Eddie verweigerte die Antwort. Schließlich war es eine Ted-Cole-Geschichte: Man sieht ganz deutlich, wovor man Angst haben muß; man sieht es näher und immer näher kommen. Das Problem ist, daß man nie alles vorhersieht, was kommt.
    »Wie dem auch sei«, fuhr Ted fort, »Thomas fuhr in Anbetracht der widrigen Umstände recht ordentlich. Es schneite noch immer. Inzwischen war es auch dunkel geworden, so daß jetzt wirklich alles fremd war. Ted und Marion fingen an, sich darüber zu streiten, wie man am besten zum Hotel kam. Das war schon deshalb unsinnig, weil sich der ganze Ort rechts und links der dreispurigen Schnellstraße befand; da er im Grunde genommen aus einer Kette von Hotels, Motels, Tankstellen, Restaurants und Bars bestand, die die Straße auf beiden Seiten säumten, brauchte man nur zu wissen, auf welche Seite man mußte. Und Thomas wußte es. Er mußte links abbiegen, egal, wie. Als Fahrer half es ihm wenig, daß seine Eltern anscheinend wild entschlossen waren, ihm vorzuschreiben, wo genau er links abbiegen sollte. Er konnte zum Beispiel direkt beim Hotel abbiegen – Ted favorisierte diese direkte Ansteuerung – oder am Hotel vorbei bis zur nächsten Ampel fahren und dort, wenn es grün wurde, eine 180-Grad-Wende machen; in diesem Fall lag das Hotel dann rechts vor ihm. Marion hielt die 180-Grad-Wende an der Ampel für ungefährlicher als das Linksabbiegen von der Abbiegespur, an der sich keine Ampel befand.«
    »Okay! Okay!« schrie Eddie im Dunkeln. »Ich sehe, worauf du hinauswillst! Ich sehe es!«
    »Nein, tust du nicht!« schrie Ted zurück. »Du kannst es unmöglich sehen, ehe es vorbei ist! Oder soll ich lieber aufhören?«
    »Nein, bitte erzähl weiter«, sagte Eddie.
    »Also … Thomas fuhr auf die mittlere Spur, die Abbiegespur – es war keine Überholspur –, und tat den Blinker raus, ohne zu wissen, daß seine beiden Rücklichter mit nassem Schnee bedeckt waren, den sein Vater nicht weggewischt hatte, ebenso wie er es versäumt hatte, das Rückfenster frei zu machen. Von hinten war es also unmöglich, den Blinker oder das Rücklicht oder wenigstens die Bremslichter zu sehen. Ein von hinten kommendes Fahrzeug konnte das Auto nicht sehen – oder erst in letzter Sekunde.
    Unterdessen sagte Marion: ›Bieg nicht hier ab, Tommy, vorne an der Ampel ist es weniger gefährlich.‹
    ›Du willst doch nicht, daß er auf der Straße umdreht und einen Strafzettel bekommt, oder, Marion?‹ fragte Ted seine Frau.
    ›Mir ist es egal, ob er einen Strafzettel bekommt, Ted. An der Ampel abzubiegen ist weniger gefährlich‹, erwiderte

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