Wizards of Nevermore Bd. 1 - Eine Hexe in Nevermore
das Fenster nicht aus den Augen gelassen und wusste, dass Gray und Ember mit der Reinigungszeremonie begonnen hatten. Links und rechts funkelte es lila und rot, ein Zeichen dafür, dass die Magie zusammenarbeitete und das Gleichgewicht wiederherstellte. Hmm. So aus den Fugen geraten, wie dieser Ort war, waren die beiden sicher den ganzen Tag damit beschäftigt, dort alles wieder ins Lot zu bringen.
Sich selbst Beschäftigung zu verschaffen war die einzige Möglichkeit, ihre überbordende Neugierde unter Kontrolle zu halten. Ihr Mann nannte sie nicht umsonst zum Spaß »die Informationsministerin«, weil sie immer alles wissen musste. Während sie noch überlegte, ob sie als Nächstes vielleicht den Kühlschrank im Pausenraum sauber machen sollte, kam Ren herein.
»Und?«
Er blieb stehen und sah sie mit hochgezogenen Brauen an. »Und was?«
»Hat Cathleen das Café selbst angezündet und es ist einfach dumm gelaufen für sie?«
»Sieht ganz so aus.« Er nahm den Hut ab und klatschte damit gegen seinen Oberschenkel. »Wir haben die Scherben einer zerbrochenen Whiskeyflasche gefunden. Und die Kellertür stand offen. Selbst da unten sieht es aus wie auf einem Schlachtfeld.«
»Dann grenzt es ja an ein Wunder, dass nicht gleich der ganze Häuserblock niedergebrannt ist«, stellte Arlene fest. »Hat das Sew’n Sew was abbekommen?«
»Anscheinend nicht. Nur das Café. Würde mich nicht wundern, wenn Gray das Ding abreißen und neu aufbauen lassen würde.«
»Auf jeden Fall brauchen wir hier ein Lokal, in dem man auch mal was zu essen bekommt.«
»Josie hat vor, eine Imbissbude aufzumachen«, erzählte Ren. »Ihr Dad macht ihr einen alten Lkw zurecht, wo die ganze Ausrüstung reinpasst. Sie will sich damit auf den Marktplatz stellen und zumindest zur Mittagspausenzeit dort die Leute verköstigen.«
»Na, das sind doch mal gute Neuigkeiten.« Da ihre Neugierde halbwegs befriedigt war, ließ Arlene sich in ihren Schreibtischstuhl sinken. »Bleibst du noch?«
»Taylor wird Gray und Ember während der Reinigungsrituale begleiten, also bin ich hier der Mann auf Abruf.« Ren seufzte. »Apropos, ich muss kurz rüber in die Bibliothek. Meine Tanten glauben mal wieder, ein Geist hätte Tintenfass und Federkiel ihres Großvaters gestohlen.«
»Wahrscheinlich haben sie sie nur verlegt. Die Armen. Sie werden langsam zu alt, um die Bibliothek zu führen.«
»Sie hatten ja darauf gehofft, dass meine Mama das übernehmen würde«, meinte Ren bekümmert. »Oder ich. Aber dann habe ich ja als Hilfssheriff angefangen.«
»Sie sind trotzdem stolz auf dich, Ren.« Arlene sah ihn mitfühlend an. Der Junge hatte ihr immer leidgetan. Harley war kein guter Vater gewesen, er hatte sich nie viel um seinen Sohn gekümmert, sondern lieber seine Sorgen in Alkohol ertränkt. »Tut mir leid, mein Junge. Es ist so traurig, was mit deiner Mama passiert ist. Weißt du, die Wilson-Zwillinge rufen dich einfach an, weil sie ein bisschen Gesellschaft brauchen.«
Ren verdrehte die Augen. »Ich besuche sie sowieso jede Woche. Noch mehr Rosa und Spitzendeckchen kann kein Mann verkraften.«
In diesem Moment flog die Tür zum Flur auf und die große alte, behäbige Gestalt von Atwood tauchte auf. Arlene schüttelte tadelnd den Kopf. Der Mann bot einen außergewöhnlichen Anblick. Sein Gesicht war schweißnass, und er keuchte, als wäre das Atmen zu viel für ihn. Er trug ein graues Hemd, darunter war ein schweißfleckiges Unterhemd zu sehen, eine graue Hose und schwarze Cowboystiefel. Mit seinem schwerfälligen Gang, dem kahl werdenden Haupt, den kleinen Augen, der platt gequetschten Nase und den labberigen Wangen erinnerte er Arlene an ein erschöpftes Rhinozeros.
»Hat jemand von euch Trent gesehen?«
»Heute noch nicht, Atwood.« Arlene hob die Augenbrauen.
»Wieso? Ist er verschwunden?«, fragte Ren.
»Ich habe ihn seit gestern Abend nicht gesehen.« Atwood nahm ein Taschentuch aus seiner Hemdentasche und wischte sich das Gesicht. »Hast du ihn gesehen, bevor du schlafen gegangen bist?«
»Nein«, sagte Ren. »Aber er hat mich geweckt, weil es brannte. Ich dachte, er wäre dann runter zum Café, wie alle.«
Atwood schüttelte den Kopf. »Das passt gar nicht zu ihm. Man könnte ja meinen, nach allem, was der Junge durchgemacht hat, würde er durchhängen. Aber Trent weiß ganz genau, was er will. Er verpasst keinen Tag auf der Arbeit oder in der Schule. Und er hat Respekt vor seinen Mitmenschen. Sandra und Tommy haben ihn wirklich gut
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