Wladimir - die ganze Wahrheit über Putin
brutalste Lenker des russischen Kaukasus seinen Gegnern nicht verzeihen. Diese wiederum hatten allen Grund, Frau Politkowskaja wegen ihrer unnötigen Offenheit und ungehemmten Verbreitung von Informationen zu grollen. Und das umso mehr, als im Nordkaukasus die Blutrache bevorzugtes Mittel zur Klärung von Beziehungen und zur Konfliktlösung darstellt. Deswegen bin ich nach wie vor der Auffassung, dass in der fernen Zukunft und unter nicht-totalitären Bedingungen (wenn Stalin’sche Methoden nicht mehr möglich sein werden) die islamischen Regionen des Kaukasus – Tschetschenien, Inguschetien und Dagestan – nicht mehr zu Russland gehören können. Sie sind eine andere Zivilisation, und das muss man irgendwann anerkennen.
Der ehemalige Major des russischen Geheimdiensts und Offizier des Personenschutzes von Boris Beresowski, Alexander Litwinenko, starb Ende November 2006 in einer Londoner Klinik nach einer Vergiftung mit radioaktivem Material – Polonium. Viele verdächtigten den Ex-Offizier der Kreml-Garde Andrei Lugowoi der unmittelbaren Vorbereitung des Verbrechens; er war in der ersten Hälfte der 1990er-Jahre Beresowskis Leibwächter gewesen.
Sowohl in Russland als auch im Westen verbreitete sich augenblicklich die Auffassung, die russischen Geheimdienste stünden hinter dem Mord – die allmächtige Lubjanka, die sich für Litwinenkos »Verrat«, sein Überlaufen auf die Seite des damals längst in Ungnade gefallenen Beresowski und für seine Flucht nach Großbritannien, hatte rächen wollen. Diese Version ist bis zum heutigen Tag aktuell und wird von dem Umstand erhärtet, dass Lugowoi bald nach Litwinenkos Tod als Hätschelkind der russischen Macht galt, da er 2007 Abgeordneter und 2008 sogar Vize-Sprecher der Staatsduma wurde, der ersten Kammer des russischen Parlaments.
Aber es gibt dabei auch noch einige auffallende Widersprüche und Unstimmigkeiten.
Erstens wurde Major Litwinenko – das sage ich in voller Überzeugung – von der Lubjanka nie übermäßig ernst genommen. Man hielt ihn weder für gefährlich noch für schädlich. Zwar war er ein zorniger und umtriebiger Mensch, aber nicht sonderlich helle.
Zweitens ist die Mordwaffe merkwürdig – das Polonium. Es hinterließ Spuren an vielen Orten von London, einschließlich der Sushi-Bar Itsu, wo sich Litwinenko im November 2006 mit Lugowoi und dessen Partner Juri Kowtun traf. Sehen so etwa heutzutage Vergiftungen aus? Die Geheimdienste bedienen sich normalerweise nicht nachweisbarer Gifte, die beim Opfer einen schweren Infarkt oder Schlaganfall hervorrufen. In solchen Fällen ist es sogar für erfahrene Spezialisten in den besten Labors einigermaßen schwer, die wahre Todesursache festzustellen. Das altertümliche Polonium wurde jedoch benutzt, um erst recht die Aufmerksamkeit auf das Verbrechen zu lenken und deutlich auf den Auftraggeber hinzuweisen – die Geheimdienste. Als angeblich abgeschriebenes radioaktives Material, das schreckliche grüne Spuren hinterlässt, hergestellt in irgendeinem Geheimbetrieb im tiefen Russland.
Drittens ist vielen aufgefallen, dass Andrei Lugowoi 2006 immer noch eine private Überwachungsstruktur leitete, die in ziemlich enger Verbindung zum einflussreichen jüdischen Geschäftsmann georgischer Abstammung Badri (Arkadi) Patarkazischwili steht – dem Partner von Boris Beresowski, der sich ebenfalls zu diesem Zeitpunkt in London niederließ. Patarkazischwili (der im Februar 2008 starb) unterhielt seinerseits engen Kontakt mit einigen georgischen kriminellen Autoritäten, die von den spanischen Behörden der Geldwäsche und des ungesetzlichen Erwerbs von Immobilien in ihrem Land beschuldigt wurden.
Viertens arbeitete Litwinenko mit den Rechtsorganen Spaniens zusammen. Das wurde auch von spanischer Seite zugegeben. Und er hatte vorgehabt, gegen jene kriminelle Autoritäten vor Gericht auszusagen. Die Aussage des ehemaligen Majors der Lubjanka hätte Patarkazischwilis Freunden und Geschäftspartnern das Leben erheblich erschweren und ihre Haftstrafen verlängern können.
Es ergibt sich also im Ganzen ein recht interessantes Puzzle mit vielen verschiedenen Elementen – ein reich gedeckter Tisch für die unterschiedlichsten Hypothesen. Nur unser Held Wladimir Putin tritt im Zusammenhang mit dem Mord an Litwinenko nicht in Erscheinung. Schaut man genau hin und urteilt logisch und gibt man sich nicht den augenblicklichen gesellschaftspolitischen Emotionen hin, kann man auch nicht die geringste Spur seiner
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