Wladimir - die ganze Wahrheit über Putin
weiteren Sinne des Wortes) aktiv mit den »Neuputinianern« um die Kandidatur des Präsidentennachfolgers 2008. »Familienkandidat« war Dmitri Medwedew – als Gegengewicht zu Sergei Iwanow und Michail Fradkow, die Putin von verschiedenen Leningrader Kameraden empfohlen worden waren. Schließlich wurde bekanntlich Medwedew der Nachfolger, die Familie hatte gesiegt. Doch bis zu einer endgültigen Entscheidung musste der Familienkreis den Westen mit einer »Geheimdienstrevanche« erschrecken, um Putin einsichtig zu machen gegenüber der Unausweichlichkeit der Wahl eines Nachfolgers mit dem Image eines zutiefst liberalen Bürgers (erinnern Sie sich nur an die Aussage des ehemaligen Präsidenten und jetzigen Ministerpräsidenten der Russischen Föderation: »Freiheit ist besser als Unfreiheit«). Genau dafür war die »Kryschtanowskaja-Doktrin« notwendig.
Es war kein Zufall, dass die Leiterin der Lehranstalt für Eliten der Russischen Akademie der Wissenschaften 2008 nach Medwedews Inthronisierung Mitglied der Kremlpartei »Einiges Russland« wurde und 2012 nach Putins Rückkehr auf den Thron die Partei verließ. Dabei kann man bei ihr keine Vorliebe für die Opposition feststellen. Heute leitet sie einen gewissen »Klub der Besten« – eine Vereinigung von sozial und finanziell aktiven Frauen, die der Partei »Einiges Russland« zugeneigt sind, aber (wegen der verminderten Autorität und Popularität der »Machtpartei«) ihren Hang nicht immer zu Schau stellen möchten.
Politische Morde
Die Berichterstatterin der Nowaja gaseta Anna Politkowskaja wurde am 7. Oktober 2006, dem 54. Geburtstag von Wladimir Putin, im Eingang zu ihrem Wohnhaus in Moskau erschossen. Ein schlimmeres Geschenk hätte Putin zu seinem Feiertag nicht erwarten können. Außerdem wurde der Mord genau am Vorabend des Staatsbesuchs des russischen Präsidenten in Deutschland verübt – es war eine wichtige Reise, bei der WWP über die Schaffung eines paneuropäischen Zentrums für die Distribution von russischem Gas verhandeln wollte, unseres Exportschlagers Nummer eins. Überflüssig, daran zu erinnern, dass das Vorhaben platzte – und zwar vor allem wegen des skandalösen Todes der Journalistin. Viele Vertreter des deutschen Establishments wollten den Staatsbesuch sogar ganz absagen.
Putin verkündete damals ungeschickt, politisch unkorrekt und taktlos, dass ihm der Tod Politkowskajas viel mehr geschadet habe als ihr Leben und ihre professionelle Tätigkeit. Auch wenn der russische Präsident seine Worte äußerst undiplomatisch gewählt hatte, kann man nicht umhin, sie im Kern als zutreffend anzuerkennen. Natürlich ist WWP der Letzte, der am Tod Politkowskajas ein Interesse gehabt haben könnte.
Was war also wirklich geschehen? Eine genaue Antwort auf diese Frage gibt es bis heute nicht, die Strafverfolgung in Russland ist in eine Sackgasse geraten, wie es bei der Aufdeckung von folgenreichen Verbrechen in der Russischen Föderation oft der Fall ist. Aufmerksamkeit fordern alle Umstände in Zusammenhang mit Leben und Wirken von Anna Politkowskaja.
Die Beobachterin der Nowaja gaseta hatte sich in den letzten Jahren vor allem mit der Untersuchung von Verbrechen in Tschetschenien und im Tschetschenien-Krieg befasst. Wichtiges Objekt ihrer Untersuchungen war das tschetschenische Staatsoberhaupt Ramsan Kadyrow gewesen. Dieser ist heute einer der Schlüsselfiguren in der russischen Politik (darunter der gesamtnationalen, nicht nur der kaukasischen). Damals war er neu in seiner Führungsposition und hatte mit Schweiß und Blut (im direkten wie im übertragenen Sinne) versucht, in die Fußstapfen seines Vaters Achmat Kadyrow zu treten, einem ehemaligen Mufti und Anführer Tschetscheniens, der am 1. Mai 2004 durch eine ferngesteuerte Sprengladung in einem Stadion der Stadt Grosny ums Leben gekommen war.
Kurz vor Politkowskajas Tod bestellte Kadyrow ein Rechtsgutachten über die Möglichkeit einer gerichtlichen Verfolgung der Journalistin aufgrund von Diffamierung und Verleumdung des jungen tschetschenischen Staatsoberhaupts. Von einer juristischen Firma bekam er eine negative Antwort: Offiziell und streng im Rahmen des Gesetzes sei es nicht möglich, die Beleidigerin zu belangen.
Im Weiteren wurde bekannt, dass Anna Politkowskaja 2005/2006 viel mit Kadyrow-Gegnern in Tschetschenien und Umgebung verkehrte. Dabei deckte sie einige Namen von Personen auf, die versuchten, Ramsan loszuwerden, und zwar um selbst seinen Platz einzunehmen. Das konnte der
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