Wladimir - die ganze Wahrheit über Putin
erließ ein spezielles Gesetz, das den Namen »Dima Jakowlew Act« bekam (nach dem russischen Jungen, der in einer amerikanischen Adoptivfamilie zu Tode kam) und das Bürgern der USA verbietet, russische Waisenkinder zu adoptieren. Es ist schwer zu verstehen, worin die Angemessenheit dieser Reaktion bestehen könnte. Denn gestraft wurde hier nicht Amerika, sondern die russischen Kinder, die in halb verfallenen Waisenhäusern leben.
Die faktischen Urheber des »Dima Jakowlew Act«, einschließlich des russischen Kinderbeauftragten, des Rechtsanwalts Pawel Astachow, hatten vor allem ihre eigenen merkantilistischen Ziele im Auge. Astachow wollte sogar (und will wahrscheinlich bis heute), dass die Adoption durch Ausländer in Russland generell verboten wird, damit er aus dem unerschöpflichen föderalen Budget gigantische Mittel für die Umsetzung seines Programms »Russland ohne Waisen« abziehen kann, um damit die Adoption von elternlosen Kindern innerhalb Russlands finanziell zu stimulieren. Das Programm, dessen Kosten auf 20 Milliarden Dollar geschätzt werden, erschien sogar der föderalen Regierung Russlands äußerst abenteuerlich, weswegen sie ein Veto dagegen einlegte.
Aber es geht hier ja nicht um Astachow, dessen Name in der Geschichte wohl kaum Spuren hinterlassen wird. Es geht um Präsident Putin. Warum hat er diesem für die Waisen ungünstigen Gesetz zugestimmt? Liegt es daran, dass das große Amerika ihn nicht adoptierte, nicht seine sorgende Mutter in der internationalen Arena wurde? Und weil sich Wladimir gegenüber dem fernen, starken und feindlichen Washington wie ein echtes Waisenkind fühlt?
Es ist kein Zufall, dass Wladimir Putin die meiste Zeit seines Erwachsenenlebens mit der Suche nach einem Vater zugebracht hat. Und er fand sogar zwei: Anatoli Sobtschak, den Ex-Bürgermeister von Sankt Petersburg, und Boris Jelzin. Diese beiden Väter haben unserem Helden die leiblichen Eltern ersetzt.
Ohne Putin unter diesem Aspekt zu betrachten, kann man weder die Logik seines Verhaltens als Politiker noch als Staatsmann verstehen.
Der amerikanische Psychotherapeut Dr. med. James L. Schaller beschreibt in The Search for Lost Fathering einige dominierende Begriffe und unausrottbare Gefühle, die für Waisen typisch sind:
• Wenn einem das Leben ein Bein stellt, kann man sich nur auf sich selbst verlassen.
• Wenn sich jemand um mich sorgt, verwundert es mich. (Daher rührt auch Putins übersteigerte Dankbarkeit gegenüber allen, die ihm jeweils auch nur ein wenig geholfen haben. Sogar gegenüber Boris Beresowski, der nach 2000 sein erklärter Feind wurde.)
• Ich denke viel darüber nach, wie ich den Verlust jener vermeiden kann, die ich liebe.
• Ich gebe mich mit Verlieren ab, weil ich mich selbst als solcher fühle. (Angewendet auf Putin ist diese These nicht wörtlich zu verstehen. Aber man kann sagen, dass sein Interesse an der Freundschaft mit den Parias in der internationalen Arena, einschließlich der skandalösesten Figuren der europäischen Politik wie Silvio Berlusconi, daher stammt.)
• Alles, was ich liebe, vergeht. Alle, die ich liebe, verlassen mich oder sterben. (Ist uns eigentlich bewusst, wie oft, wie rührend und auf seine Weise zartfühlend sich Wladimir Putin an Boris Jelzin und Anatoli Sobtschak erinnert? Er scheute sich nicht einmal, den in Ungnade gefallenen Boris Beresowski öffentlich zu beweinen.)
• Die Welt erscheint mir oft als verwirrender und unangenehmer Ort.
• Ich fühle mich verletzbar, besonders in finanzieller Hinsicht. (Daher kommt der pathologische Hang zur Kontrolle der Finanzflüsse und zum Zusammentragen der hohen Ölerträge in ein spezielles »Sparschwein« – also in Reservefonds, zu denen sich alle möglichen Lobbyisten und Spezialisten im Verbrauch staatlicher Gelder nur schwer Zugang verschaffen können. Denn das Geld kann einem schließlich jeden Moment ausgehen, zum Teufel.)
• Ich erinnere mich gut an die Zeiten, als ich mich auf niemanden verlassen konnte.
• Freunde bedeuten mir mehr als Eltern. (Putin neigt dazu, seinen Freunden alles zu verzeihen, solange sie ihre kameradschaftliche Loyalität bewahren. Weder Korruptions- noch andere Skandale haben einen nennenswerten Einfluss auf die Beziehung unseres Helden zu seinen Freunden.)
• Ich neige dazu, die Dinge schwarz-weiß zu sehen.
• Die Leute meinen, ich sei im Umgang zu heftig. (Wie oft, zum Beispiel, kriegten Journalisten etwas ab, wenn sie dem russischen Präsidenten bei
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