Wladimir - die ganze Wahrheit über Putin
Nojabrskneftegaz.
1995 machte Michail Fridman, Inhaber des Alfa-Konsortiums und wichtigster Partner des Putin-Freunds Pjotr Awen, den 28-jährigen Abramowitsch (nach sowjetischen Maßstäben ein grüner Junge) mit dem damals mächtigen Boris Beresowski bekannt, einem der Architekten von Jelzins zynischem Sieg 1996. Die Bekanntschaft wurde auf den Karibischen Inseln geschlossen, wohin die vier – Beresowski, Abramowitsch, Fridman und Awen – von Moskau mit einem Privatjet geflogen waren.
Sie fragen sich, warum man dafür einen 14-Stunden-Flug auf sich nehmen muss? Der klassische russische Geschäftsmann jener Zeit würde Folgendes antworten: In Russland kann man geheime Angelegenheit nicht laut besprechen, alles wird abgehört, ringsum sind Feinde. Die eigentliche Antwort lautet indes ganz anders. Es gibt das russische Wort pont, das man ungefähr übersetzen kann als »Aktion zur Demonstration der eigenen Erlesenheit«. Diejenigen, die innerhalb weniger Jahre von Bettlern zu Milliardären aufgestiegen waren, wollten die anderen – und vor allem sich selbst – davon überzeugen, dass ihnen das schnell erworbene Geld quasi übernatürliche materielle Möglichkeiten eröffnet hatte. Die Sibneft-Frage auf den Karibischen Inseln zu diskutieren war wirklich cool. Im dreckigen und verschneiten Moskau wäre dasselbe Gespräch dagegen so banal gewesen wie ein Witz mit Bart.
Beresowski und Abramowitsch beschlossen, für sich die Erdölfirma Sibneft auf Grundlage eines Teils der Aktiva des staatlichen Rosneft zu gründen. Wie das alles vor sich ging, erzählten sie in aller Ausführlichkeit bei ihrem Gerichtsprozess 2011 in London, bei dem Beresowski versuchte, vom anderen 5,6 Milliarden Dollar zu erstreiten, die dieser für die Aktien des Unternehmens angeblich nicht vollständig bezahlt hatte. Die Verpflichtungen der Partner waren recht genau benannt. Beresowski hatte es übernommen, von Boris Jelzin den Erlass über die Schaffung von Sibneft zu erwirken und für den Schutz des Unternehmens auf der Ebene der föderalen Macht zu sorgen. Abramowitsch sollte die Loyalität der regionalen Machthaber und des in Sibneft zu übernehmenden Unternehmensmanagements sowie der örtlichen Gangster erwirken.
Und jeder erfüllte seine Aufgaben, auch wenn die Ex-Partner sie dann unterschiedlich interpretierten: Beresowski behauptete, er sei bei Sibneft ein vollberechtigter Partner gewesen, dem 50 Prozent des Eigentums und Gewinns zustanden, und Abramowitsch meinte, ihm gehörten 100 Prozent der Firma und Beresowski sei lediglich die Funktion einer kryscha, also eines Gewährleisters der formellen und informellen Sicherheit dieser Star-Partnerschaft zugekommen.
Dank des Londoner Prozesses, der für Beresowski im September mit einer totalen Niederlage endete, wird das russische Wort kryscha mittlerweile oft auch ohne Übersetzung benutzt und geht langsam in viele Sprachen ein, ähnlich wie zuvor Sputnik, Perestroika oder Pogrom. Bauernopfer von Sibneft wurde jedenfalls der Chef des Omsker Erdöl verarbeitenden Schlüsselbetriebs, Iwan Lizkewitsch, der 1995 überraschenderweise beim Baden im Irtysch ertrank. Lizkewitsch hatte sich gegen die Gründung einer neuen Erdölfirma ausgesprochen und auch ganz sicher gegen die Einbeziehung des von ihm geleiteten Betriebes.
WWP war nie ein Mörder, aber er schaffte es immer rechtzeitig, die Augen zu schließen. »Ich mache jetzt die Augen zu, und dann seid ihr alle weg.« Das betrifft natürlich nicht nur den glücklosen Lizkewitsch, den der amtierende russische Präsident sicherlich längst vergessen hat, sondern auch die Häuser, die 1999 in einigen russischen Städten explodierten, woraufhin der zweite Tschetschenien-Krieg ausbrach, der Putin an die Macht brachte. Und es betrifft sicher noch vieles andere mehr.
Ursprünglich schmiedete ihr Waisenstand Putin und Abramowitsch zusammen – beide waren ohne einen richtigen Vater aufgewachsen und hatten ihre Eltern in den höheren Rängen der damaligen Staatsordnung gefunden. Und wer versteht eine Waise besser als eine andere Waise? Zudem hatten sie ähnliche Funktionen übernommen – den Starken dieser Welt zu besonderem Komfort zu verhelfen. Putin trug Sobtschaks Aktentasche, Abramowitsch grillte auf Jumaschews Datscha Schaschlikspieße, denn dort versammelte sich die offizielle und inoffizielle Hautevolee aus Jelzins Umgebung zum Ausspannen.
Was immer man auch sagt, Roman Abramowitsch ist bis zum heutigen Tag der einflussreichste
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