Wladimir - die ganze Wahrheit über Putin
wenig konnte Beresowski lange nicht begreifen, was er so Schlimmes angerichtet haben sollte. Verrat? Dieser Begriff kommt im Wortschatz eines Schizophrenen nicht vor.
Jahrelang habe ich Beresowski gesagt: »Boris, verstehst du nicht, dass die Jelzin-Familie sich von dir abgewendet hat, weil sie dich nicht mehr braucht? Putin ist nur die Waffe, aber nicht die Ursache deiner Probleme.«
»Mein Freund, nichts verstehst du«, antwortete er mir mit der ihm eigenen Gereiztheit eines in Ungnade gefallenen Oligarchen.
Erst 2006 schien er mir zuzustimmen. Damals war auch seine vorläufige Entscheidung gereift, Roman Abramowitsch als Symbol und Kassenwart der berüchtigten Jelzin-Familie den Prozess zu machen. Auch hier war es kein Hass, sondern die Kränkung, die unseren Schizophrenen antrieb. Hätte Abramowitsch BAB, sagen wir, eine Milliarde Dollar gezahlt, so wäre es nicht zu einem Prozess gekommen und wir hätten sie noch auf einem gemeinsamen Urlaub irgendwo auf Saint-Barthélemy gesehen (wo sich das vielen Vertretern der russischen Elite wohlbekannte Anwesen von Abramowitsch befindet).
Der Prozess jedoch gab Boris Beresowski den Rest. Dabei ging es nicht um die 5,5 Milliarden – die Chance auf sie war verschwindend gering, das sehen alle mir bekannten Experten des angelsächsischen Rechts so. Das Problem lag darin, dass die Richterin des Hohen Gerichts der Stadt London, Baroness Elizabeth Gloster, ihn so bloßstellte, wie es bisher niemand getan hatte. Sie erkannte seine Schizophrenie und verkündete das mit aller Macht ihres Richterrechts. Im Verdikt der Baroness tauchte das schreckliche Wort »self-delusion« auf – das Gericht, das in der neuesten Geschichte seinesgleichen sucht, erkannte, dass BAB nicht nur andere, sondern auch sich selbst betrog. Und das ist bereits die Tragödie. Allerdings besteht die Tragödie nicht darin, dass niemand mehr etwas mit dem Opfer dieses Verdikts zu tun haben wollte, sondern darin, dass es der Ex-Magnat nach dieser Entlarvung mit sich selbst kaum noch aushielt. Wie soll man mit dem größten Betrüger aller Zeiten leben, wenn er in einem selbst sitzt wie ein infernalischer Alien aus einem Hollywoodfilm?
Oberflächlich gesehen meinte man, dass Beresowski ein großartiger Macher war, bereit und fähig, jeden zu überrollen, der sich ihm in den Weg stellte. In Wirklichkeit war es nicht ganz so – oder sogar umgekehrt. Ich kenne nicht wenige Leute, die Boris Beresowski ganz professionell übers Ohr gehauen haben, ohne dass er es gleich bemerkte. Von der Jelzin-Familie habe ich in diesem Zusammenhang schon gesprochen, aber es gab noch viele andere, die den »entflohenen Oligarchen« betrogen. Darunter befanden sich verhältnismäßig untergeordnete Figuren wie zum Beispiel Alexander Prochanow, der Eigentümer der konservativ-patriotischen und wichtigsten antisemitischen Zeitung des Landes, Zavtra . 2002 erhielt er von BAB 300 000 Dollar »für die Entwicklung seiner Zeitung«. Er hatte den Schizophrenen mit nebulösen Versprechungen verführt, er könne oppositioneller Präsidentschaftskandidat werden und 2004 gegen Putin antreten. (Damals meinte Beresowski, der charismatische Antisemit mit dem kommunistischen Flair könne den Kremlherrscher herausfordern.) In der Zeitung kam es zu keinerlei »Entwicklung«, stattdessen hatte Herr Prochanow die Bauarbeiten auf seinem Landsitz im Rayon Dmitrowski im Moskauer Verwaltungsgebiet ein gutes Stück vorangebracht. Die Mitarbeiter der Zeitung Zavtra traten damals mit leicht durchschaubaren Andeutungen an mich heran: Warum ist dieser Beresowski so geizig? Wir bringen hier ein dickes, fettes Interview mit ihm und er macht keinen Finger krumm. Durch die Umstände zum Schweigen verpflichtet, konnte ich ihnen im Grunde nicht antworten und nur halbvernehmlich knurren. Heute kann ich, wie sich alte Kriegsveteranen der Spionage gern ausdrücken, »über alles sprechen«.
Doch BABs größter Fehler war meiner Ansicht nach sein Hauptpartner Badri (nach seinem Pass Arkadi Schalwowitsch) Patarkazischwili. Während er Ende der 1980er-Jahre Vertreter der Firma LogoVAS in Georgien gewesen war, stieg er Mitte der 1990er-Jahre im Status auf und übernahm die Funktion des Aktienverwalters von Beresowski. Aus welchem Grund Boris Beresowski ihn für ein Finanzgenie hielt, ist bis heute unklar. Das Genie richtete es scheinbar absichtlich so ein, dass Beresowskis Eigentum diesem nicht mehr gehörte. Das eindrucksvollste Geschäft, das Badri BAB aufschwatzte,
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