Wladimir - die ganze Wahrheit über Putin
Beweise für die Beteiligung Saddam Husseins an der Produktion von Massenvernichtungswaffen gab;
• warum man demonstrativ die Position nicht nur von Russland – na gut, wir sind die Kleinen –, sondern auch von Frankreich und Deutschland ignorierte;
• warum man sich nicht menschlich aufführen konnte und über den UNO-Sicherheitsrat agierte, statt gleich die Füße auf den Tisch zu legen.
Putin hatte also auf einmal die amerikanische politische Moral durchschaut: Russland & Co. sollten den USA alles geben, was sie hatten, doch was ihnen die USA gaben, war situationsabhängig, hing also davon ab, mit welchem Bein sie gerade aufgestanden waren. Von diesem Moment fing unser »normaler Kerl« an, sein Vorgehen ein wenig zu korrigieren. Nein, im Kern konnte er strategisch nichts verändern. Denn Putins Ziel war und blieb die Anerkennung Russlands, der russischen Elite und seiner selbst im Westen. Wenn also der moderne, erfolgreiche Russe nicht in Europa oder Amerika leben, arbeiten und Urlaub machen kann und seine Kinder dort nicht studieren dürfen, dann ist Putin gescheitert, vor allem als Mensch. Hinter den kilometerlangen Zäunen der soliden Datschas in geschützten Moskauer Vororten leben nur die kriminellen Anführer, die über das FBI gesucht werden oder aus einem anderen Grund keine Einreiseerlaubnis in alle westlichen Länder haben. Keiner kann besser als sie vom russischen Patriotismus erzählen und wie sie den Westen verachten. Aber nur sie, bitteschön.
Das heißt, strategisch war, ist und bleibt Putin ein Westler. Was aber seine Taktik anbelangt, tauchten neue Fragen, Zweifel und Bedenken auf. Diese Zweifel wurden durch die sogenannten »Blumenrevolutionen« im postsowjetischen Raum auf die Spitze getrieben. Die »Rosenrevolution« in Georgien (2003) hatte Russland noch übersehen. Erstens, weil man den gestürzten Eduard Schewardnadse nicht sonderlich schätzte, zweitens, weil Putin generell eine irrationale Abneigung gegenüber den Georgiern hegt, wofür seine schwierige Kindheit der Grund sein mag, wie wir weiter oben erläutert haben.
Selbst der Sturz von Adscharien im Mai 2004, das de facto unabhängig gewesen war, löste in Moskau keine übermäßige Erregung aus. Doch dann ging es auch in der Ukraine los, und das war für WWP weitaus wichtiger, und zwar nicht nur deshalb, weil es bereits Absprachen im wirtschaftlichen Bereich gab, zum Beispiel über die für Gazprom und andere russische Erdgasförderer lebenswichtige Übergabe des ukrainischen Pipelinesystems in einen Modus indirekter Kontrolle durch russische Wirtschaftsagenten, sondern auch aus persönlichen Gründen.
Ideologe und Architekt der Wahlkampagne in der Ukraine war der Leiter der Administration des damaligen Präsidenten Leonid Kutschma – Putins Vetter Viktor Medwedtschuk. An Kutschma, der schon nach 150 Zentilitern Wodka die Kontrolle über sich verlor, verschwendete Putin keine ernsthafte Aufmerksamkeit. Das war eher Jelzins Klientel – ewiges Besäufnis und Liedgesang in einer Mischsprache aus Ukrainisch und Russisch, die man Surschyk nennt. Ganz anders verhielt es sich mit Medwedtschuk, zumal völlig klar war, dass er, der ein gewitzter Bürokrat, studierter Rechtsanwalt und von seiner Mentalität her Geschäftsmann war, unter Präsident Viktor Janukowitsch, dem offiziellen Nachfolger von Kutschma, zum eigentlichen Herrscher des Landes werden würde. Damals hatten – im Gegensatz zu Putin und Medwedtschuk – noch nicht alle Einblick in das intellektuelle Niveau von Janukowitsch.
Auch wenn Putin die internationale »Anständigkeit« auf seiner Seite neu bewertet hatte, verstand er dennoch einige Aussagen der Weltpolitik nach wie vor allzu wörtlich. Wenn zum Beispiel Präsident Bush Junior versprach, dass die USA in keiner Weise den legitimen Sieger der Präsidentschaftswahlen in der Ukraine daran hindern würden, Präsident zu werden, hieß das für Putin, sie würden es nicht tun. Was hätte es hier noch zu deuteln geben können? Und dennoch hat sich zwischen den Zeilen das Wort »legitim« verloren, und das ist in Bushs Aussage das Schlüsselwort. Denn kaum hatte sich Janukowitsch zum Sieger des zweiten Wahlgangs erklärt (22. November 2004), wurde klar, dass alles ungesetzlich und gefälscht war.
Hunderttausende gingen auf die Straßen von Kiew, vor allem auf den zentralen Platz der Unabhängigkeit. Eine Revolution! Wohl hatte man versprochen, es werde keine geben, und man hatte auch nicht an sie geglaubt, aber nun
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