Wladimir - die ganze Wahrheit über Putin
war sie da. Das Zureden von Putins Beratern, es drohe eine Kältewelle und alles würde sich in Nichts auflösen, brachte nichts mehr: Es war klar, dass »unser« Janukowitsch im Begriff war zu verlieren. Und dann lud man in dieser Situation auch noch den jämmerlichen polnischen Präsidenten als Vermittler ein, den ehemaligen Komsomol-Mitarbeiter Aleksander Kwaśniewski, ohne auch nur im Traum an den russischen zu denken.
Putin glaubt jedoch nicht an die Zufälligkeit oder Spontaneität einer Revolution oder daran, dass alles von selbst geschieht unter dem Druck der erniedrigten, gebildeten Bürgerschaft. Sein Bewusstsein ist genauso konspirativ, wie es sich für einen (wenn auch glücklosen) Zögling der Geheimdienste ziemt, egal, um welche Geheimdienste es sich handelt. Wenn es eine Revolution gibt, dann muss eine dominante Macht dahinterstehen. Und eine solche Macht gibt es in der Welt heute nur eine – die USA. Man hatte ihn also erneut betrogen.
Dann stellte sich auch noch heraus, dass der überaus abstoßende Beresowski über Julia Timoschenko 38 Millionen Dollar auf dem Majdan verpulvert hatte – und nun es ging los. Die kirgisische »Tulpenrevolution« 2005 mit dem Sturz des stillen Akademiemitglieds und Alkoholikers Askar Akajew, die ebenfalls mit Geld aus Russland und von Beresowski realisiert wurde, konnte das Bild qualitativ kaum noch ändern. Tiefe Kränkung machte sich in Putins Herz breit.
Er erlebte sie auch in Kananaskis, wo er übrigens zum ersten Mal zugab, dass sich sein »Kopf sogar vor einer einzigen Fernsehkamera abschaltet« (und das hieß, WWP ist kein öffentlicher Politiker, er liebt die Macht nicht als öffentliche Funktion und findet seine PR-Verpflichtungen lästig). Und in Heiligendamm. Die Kränkung fand ihren Höhepunkt bei der Münchner Rede (2007), die viele Analytiker geradezu als Erklärung eines neuen kalten Krieges auffassten. Heilige Einfalt! Die Münchner Rede war nur eine Anklage gegen Onkelchen Westen wegen dessen Ungerechtigkeiten. Wir legen euch unsere Seele zu Füßen, sagte Putin, mit riesigen Investitionen, mit geopolitischen Zugeständnissen, die die Welt noch nicht gesehen hat, und ihr … benutzt sie als Fußabtreter, als müsse das so sein.
Hier hätte der Westen Putin an seine liebende Brust drücken und alle Missverständnisse ausräumen müssen. Aber das unterblieb aus zwei Gründen:
• Wegen der Trägheit im Denken der westlichen Eliten: Sie räsonieren immer noch in den Kategorien der 1970er- und 1980er-Jahre, und das auch noch auf dem Hintergrund einer gespensterhaften El Kaida, die sich ständig in irgendwelchen Höhlen versteckt. Aber da gibt es ja noch Russland, den traditionellen Feind – gewichtig, grob und klar erkennbar. Solange der kollektive Brzeziński am Leben ist, wird dieser längst ausgedörrte Zweig immer wieder künstliche Blüten tragen.
• Wegen der Trägheit im Denken der Wählerschaft, und auch sie ist der Demokratie geschuldet. Viele Wähler in demokratischen Ländern denken wie eh und je, Russland sei ein Feind. Deswegen können auch die Politiker nichts anderes sagen, auch wenn sie sich beim Lunch in der Familie oder bei Sport und Spiel keineswegs so äußern.
Putin als Verkörperung der lebenswichtigen Interessen der russischen Elite muss das tun, was er tun muss: mit dem Westen befreundet bleiben und sich mit ihm versöhnen.
Zur Rettung der Situation wurde 2008 der Nachfolger Dmitri Medwedew entsandt. Er sorgte für einen »Neustart«, der, egal, was verschiedene Widersacher behaupten, nicht ganz erfolglos war. Doch dann kam es wieder hart auf hart. 2011 kündigte sich eine weitere Revolution an, diesmal der »arabische Frühling«, und wieder bekam Putin die knochige Hand des Weltgendarms zu spüren, die von den beiden weiter oben beschriebenen Arten von Trägheit geführt wurde. In dieser Situation musste Dmitri Medwedew abberufen werden und Putin auf den Präsidentenposten zurückkehren. Denn im Falle der Fälle (wenn also der arabische Frühling ein wenig slawische Züge angenommen hätte), wäre Dmitri Medwedew mit der Situation nicht klargekommen.
Auch im derzeitigen aktuellen Drama von Syrien arbeitet der »Hauptfeind« des Westens Putin dem amerikanischen Präsidenten Obama zu, egal welche formale Rhetorik von allen Seiten ertönt. Ein Krieg gegen Syrien wurde nicht wegen Russland aufgeschoben, dessen Position allen egal ist, sondern wegen Obama, der sich nicht zu einem Schlag entschließen kann, weil es sowohl bei
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