Wo bist du
wird, ich habe weder Onkel noch Tante, die mich im Notfall ersetzen können.« »Hör auf, Vorwand und Entschuldigung zu verwechseln. Du machst dir etwas vor. Wenn dir etwas zustoßen würde, wäre schließlich immer noch ich da. Du hast Angst, gefühlsmäßig von jemandem abhängig zu sein, Susan, lieben bedeutet nicht, auf seine Freiheit zu verzichten, sondern vielmehr, ihr einen Sinn zu geben.«
Er will nicht, dass ihr kurzes Treffen wie das letzte endet, aber er findet kein anderes Gesprächsthema.
»Außerdem schützt dich das Medaillon.«
»Du hast ein äußerst selektives Gedächtnis, wenn es dir in den Kram passt.«
Sie lächelt und bemerkt, wie sein Blick ihrer Hand folgt, die unter ihren Pullover gleitet. Sie zieht das Medaillon hervor. »Hast du Lust, dich in der Toilette umzuziehen? Erzähl mir von deinem Leben als Mann.«
Er errötet, weil er sich dabei ertappt fühlt, sie zu begehren. Er erzählt von seinen Fortschritten innerhalb der Agentur und der zunehmenden Verantwortung, die ihm übertragen wird. Es ist zwar noch nicht offiziell, aber er ist die Nummer eins eines kleinen Teams, das sechs Projekte betreut. Wenn es in diesem Tempo weitergeht, wäre er in zwei Jahren Art-Director. Ansonsten gebe es nichts Besonderes mitzuteilen. Aber damit gibt sie sich nicht zufrieden.
»Und deine Freundin, mit der du ins Kino gehst, kratzt sie auch, wenn ihr nicht gerade einen Horrorfilm seht?«
»Das war kein Horrorfilm!«
»Ein Grund mehr, du wirst dich doch wohl nicht zieren. Wie weit bist du mit ihr?«
»Nirgendwo!«
»Hör mal zu, mein Kleiner, irgendwas muss sich in deinem Leben doch tun, oder bist du asexuell geworden?« Er gibt ihr das Kompliment zurück. Sie habe keine Zeit, erwidert sie; sie wäre sicher hier und da an Abenden, die in einer Bar begannen, in den Armen eines Mannes gelandet, aber nur, um darin etwas Trost zu finden. Er macht dieselbe Einstellung geltend, um seine Enthaltsamkeit zu rechtfertigen. Susan geht wieder zum Angriff über, etwas sanfter diesmal, und stellt die Frage noch einmal, auf andere Weise. Er erzählt von den Abenden mit Mary Gautier Thompson, Journalistin bei der Cosmopolitan, die er dreimal die Woche bis vor ihre Haustür begleitet, ohne dass irgendetwas passiert. »Sie muss sich fragen, ob du ein Problem hast.«
»Sie selbst macht ja auch keinen Vorstoß!«
»Ach, müssen jetzt wir Frauen den ersten Schritt tun?«
»Willst du mich in ihre Arme schubsen?«
»Ich habe den Eindruck, man braucht dich nicht besonders heftig zu schubsen, damit du umfällst.«
»Käme dir das gelegen?«
»Seltsam, deine Frage.«
»Es ist der Zweifel, der an einem nagt, Susan. Es ist so leicht, wenn jemand für einen entscheidet.«
»Was entscheidet?«
»Keine Hoffnung zu lassen.«
»Das ist ein anderes Thema, Philip. Für eine Geschichte bedarf es der richtigen Personen im richtigen Augenblick.«
»Es ist so einfach, sich zu sagen, dass es nicht der richtige Augenblick ist. Genau hier zwingt uns das Schicksal zu einer Entscheidung.« »Willst du wissen, ob du mir fehlst? Die Antwort ist ja. Oft? Fast die ganze Zeit, das heißt, wenn ich Zeit habe, und das mag dir absurd erscheinen, aber ich weiß auch, dass ich nicht bereit bin.«
Sie ergreift seine Hand und drückt sie an ihre Wange. Sie schließt die Augen, und er hat den Eindruck, sie schlafe ein in der Vertrautheit des Augenblicks. Er wünscht so sehr, dass dieser Moment länger anhalten möge, aber die Stimme des Lautsprechers kündigt ihre Trennung an. Sie lässt eine Weile verstreichen, als hätte sie die Ansage nicht gehört. Erst als er eine Andeutung machen will, flüstert sie, sie wisse Bescheid, sie habe es gehört. Sie verharrt noch mehrere Minuten mit geschlossenen Augen, den Kopf auf seinen Unterarm gelegt, dann, plötzlich, schnellt sie hoch und reißt die Augen auf. Sie erheben sich beide, er legt den Arm um ihre Schultern und trägt mit der freien Hand ihre Tasche. Auf dem Gang, der sie zum Flugzeug führt, küsst sie ihn auf die Wange.
»Du solltest deine Chancen nutzen bei deiner Freundin, der großen Reporterin für das Frauenmagazin! Das heißt, wenn sie dich verdient hat. Auf jeden Fall hast du es nicht verdient, allein zu bleiben.«
»Aber es macht mir nichts aus, allein zu sein.«
»Rede keinen Unsinn, ich kenne dich viel zu gut, das Alleinsein ist dir ein Gräuel. Weißt du, Philip, dein Warten auf mich hat zwar etwas Beruhigendes, aber es wäre egoistisch, es anzunehmen. Ich bin wirklich nicht
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