Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wo bitte geht's nach Domodossola

Titel: Wo bitte geht's nach Domodossola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
Vom Netzwerk:
viermal von einem Land ins andere.
    Buchs auf der anderen Seite des Flußes war nicht nur verschlafen, es lag im Koma. Da mir bis zur Ankunft meines Zuges zwei Stunden blieben, machte ich einen ausgiebigen Stadtrundgang. Er dauerte vier Minuten, mit Pausen.
    Ich ging zum Bahnhof, löste eine Fahrkarte nach Innsbruck und suchte das Bahnhofscafe auf. Es war geschlossen, aber ein Zeitungskiosk hatte geöffnet. Ich nutzte die Gelegenheit und sah mich nach etwas zum Lesen um, denn Zieglers erbarmungslose Auflistung der Pestopfer unter den europäischen Bauern des vierzehnten Jahrhunderts verlor allmählich ihren Reiz. Doch die einzige am Kiosk erhältliche Lektüre in englischer Sprache war die Wochenendausgabe von USA Today, eine Zeitung, die mich immer an das Blatt My Weekly Reader erinnert, das man uns in der Grundschule zu lesen gab. Ich finde es erstaunlich genug, daß diese Zeitung in den USA gelesen wird, daß jedoch hier, am Bahnhofskiosk im schweizerischen Buchs, jemand danach fragen sollte, schien mir gegen alle Gesetze der Wahrscheinlichkeit zu verstoßen. Ich spielte mit dem Gedanken, kurz einen Blick auf die Baseball-Tabelle der Major League zu werfen, entnahm aber dem Blick der Zeitungshändlerin, daß das in der Schweiz als strafbare Handlung gelten könnte und ließ es bleiben.
    Statt dessen begab ich mich auf den Bahnsteig. Ich entledigte mich meines Rucksacks, ließ mich auf eine Bank fallen und schloß die Augen. Um die Zeit totzuschlagen, dachte ich mir schweizerische Rätsel aus.

    F. Wie bringt man einen Schweizer zum Lachen?
    A. Man hält ihm ein Gewehr an den Kopf und sagt:
    »Lach.«

    F. Wie nennt man in der Schweiz einen großen Liebhaber?
    A. Einen Immigranten.

    F. Woran erkennt man einen schweizerischen Anarchisten? A. Er benutzt keine Postleitzahl. 

    F. Wie nennt man in der Schweiz eine Ansammlung von langweiligen Leuten? A. Zürich.

    Endlich kam der Zug. Erleichtert stieg ich ein, froh wieder einem unbekannten Land entgegenzustreben. 

    Österreich

    Der Innsbrucker Bahnhof kam mir geradezu unheimlich vertraut vor. Was ich empfand, war etwas zwischen einem Déjà-vu-Erlebnis und tatsächlicher Erinnerung. Achtzehn Jahre war ich nicht in Innsbruck gewesen, und in dieser Zeit hatte ich vielleicht ein-oder zweimal an die Stadt gedacht. Doch als ich jetzt dort aus dem Zug stieg, schien es mir, als wären seit meinem letzten Besuch höchstens ein, zwei Tage vergangen, als hätte es all die Jahre dazwischen nicht gegeben. Der Bahnhof sah völlig unverändert aus. Auch der Stehimbiß stand noch an Ort und Stelle und verkaufte sein Gulasch mit Klößen, ein Gericht, das ich in drei Tagen viermal gegessen hatte, denn nirgends in der Stadt konnte man für so wenig Geld so satt werden. Die Klöße waren so groß wie Kanonenkugeln und ebenso sättigend. Und ungefähr so schmackhaft.
    Ich nahm ein Zimmer in der Goldenen Krone, ein kleines Hotel im Stadtzentrum, und verbrachte den späten Nachmittag mit einem Spaziergang durch die vom weichen Sonnenlicht golden gefärbte Stadt. Innsbruck mit seinen barocken Häusern und den Zwiebeltürmen ist wirklich eine ideale Kleinstadt. Die alten Gebäude wirken liebevoll gepflegt, ohne den Eindruck eines Freilichtmuseums zu erwecken. Und die Lage der Stadt ist so perfekt, wie sie nur sein kann. Am Ende jeder Straße erheben sich muskulöse Berge mit schneebedeckten Gipfeln vor einem tiefblauen Himmel. Über einen asphaltierten Fußweg schlenderte ich am seichten, glasklaren Wasser des Inn entlang. Ich kam durch einen kleinen Park, den Hofgarten, und streifte ziellos durch die langen schattigen Straßen eines angrenzenden Wohnviertels, vorbei an soliden, dreistöckigen Häusern, die halb hinter den Wipfeln der Bäume versteckt lagen. In vielen der Häuser – für eine so kleine Stadt sicher in zu vielen – hatten Ärzte ihre Praxen eingerichtet, und neben den Türen oder an den Pforten hingen glänzende Kupfertafeln, auf denen zu lesen war DR.
    G. MUNSTER/ZAHNARZT oder DR. ROBER SCHLUGEL/PLASTISCHE CHIRURGIE. Hin und wieder rumpelte eine fast leere Straßenbahn vorbei, aber ansonsten war es still.
    Ich erinnerte mich an einen Walt Disney Film, den ich als Kind gesehen habe. Ich glaube, er hieß The Trouble With Angels. Diesem Film verdanke ich meine ersten bleibenden Eindrücke von Europa. Es war die hoffnungslos rührselige Geschichte einer Gruppe von Lausbuben mit roten Backen und engelsgleichen Stimmen, aus denen im Laufe des Films Sängerknaben im

Weitere Kostenlose Bücher