Wo bitte geht's nach Domodossola
Flughafen, das andere ein Flugplatz), und dabei leise »Hmmmms« von mir zu geben und ernst mit dem Kopf zu nicken, ohne zu wissen, warum.
Erst jetzt fiel mir auf, daß ich über eine südlichere und landschaftlich bestimmt wesentlich reizvollere Strecke von Brig nach Genf hätte fahren können, nämlich über Aosta, den Mont Blanc und Chamonix. Da war ich soweit gekommen und ließ mir die Gelegenheit entgehen, Aosta und den Mont Blanc zu sehen? Ich verzichtete freiwillig darauf, mitten durch die Alpen zu fahren? Was bin ich für ein Dummkopf! »Hmmmm«, sagte ich, nickte ernst mit dem Kopf und faltete die Karte zusammen. Wir folgten einem seichten Fluß durch eine Landschaft aus kleinen Gehöften und steilen, bewaldeten Berghängen und hielten immer wieder in abgelegenen Dörfern, um eine Handvoll Passagiere mit leeren Einkaufskörben aufzunehmen. War der Zug voll, würden wir ein geschäftiges Marktstädtchen, mit Namen wie Langnau oder Zug erreichen, wo alle Fahrgäste auf den Bahnsteig strömen und mich allein zurücklassen würden. Und dann würde sich der Zug allmählich von neuem füllen. Das war nicht die schlechteste Art, den Tag zu verbringen. Ich stieg in Sargans aus, kurz vor Liechtenstein. Der Zug fuhr zwar durch Liechtenstein, allerdings ohne dort zu halten, was ganz der nationalen Vorliebe fürs Lächerliche entspricht. Wer nach Vaduz, in die winzige Hauptstadt Liechtensteins, fahren will, muß in Sargans oder Buchs von der Bahn in einen gelben Postbus umsteigen. Ein solcher Bus wartete bereits am Bahnhof. Ich löste einen Fahrschein, nahm als einziger nicht mit Einkaufstüten beladener Fahrgast mitten im Bus Platz und mußte mich ordentlich recken, um etwas von dem kleinen Land sehen zu können. Zwischen Sargans und Vaduz liegen nur gut zehn Kilometer, und dennoch dauerte die Fahrt ungefähr eine Stunde, denn der Bus fuhr kreuz und quer durchs Land, bog in jede Seitenstraße und näherte sich Vaduz in einem großen Bogen über kleine Landstraßen, als wollte er sich heimlich in die Stadt schleichen. Bis ich das Ortsschild von Vaduz erblickte, wußte ich nicht.einmal, ob wir schon in Liechtenstein oder noch in der Schweiz waren.
Alles an Liechtenstein ist lächerlich. Erst einmal ist es lächerlich klein. Sogar die Schweiz, bekanntlich selbst ein lächerlich kleines Land, ist 250-mal größer. In Liechtenstein gibt es zwei politische Parteien, die im Volksmund als die Roten und die Schwarzen bekannt sind. Ihre ideologischen Unterschiede sind so minimal, daß sie sich ein und denselben Leitspruch auf die Fahnen geschrieben haben: »Vertraue auf Gott, den Fürsten und das Vaterland«. Der letzte militärische Einsatz Liechtensteins fand im Jahre 1866 statt. Damals schickte das Land achtzig Mann aus, um gegen die Italiener zu kämpfen. Niemand wurde getötet. Tatsächlich kehrten einundachtzig Mann aus diesem letzten Gefecht zurück, denn unterwegs hatte man Freundschaft geschlossen. Zwei Jahre später erkannte der Kronprinz, daß seine Soldaten niemanden würden schlagen können, und löste die Armee auf.
Und hier noch ein paar Absurditäten: Liechtenstein ist der weltweit größte Produzent von Wurstdärmen und falschen Zähnen. Es ist ein berüchtigtes Steuerparadies, das einzige Land der Welt mit mehr eingetragenen Firmen als Einwohnern (wenn auch die meisten dieser Firmen nur auf dem Papier bestehen). Als letztes Land Europas hat Liechtenstein 1984 das Frauenwahlrecht eingeführt. Das einzige Gefängnis des Landes ist so klein, daß das Essen für seine wenigen Insassen von einem benachbarten Restaurant geliefert wird. Will jemand die Staatsangehörigkeit annehmen, wird im Dorf des Antragstellers ein Referendum abgehalten; hat der Antrag diese Hürde genommen, müssen der Premierminister und sein Kabinett über die Angelegenheit abstimmen. Aber soweit kommt es nie. Hunderte von Familien, die seit Generationen in Liechtenstein leben, gelten bis heute als Ausländer.
Vaduz ist kein besonders hübscher Ort, liegt aber malerisch am Fuß des 2042 Meter hohen Berges Alpspitz. Auf einem Felsvorsprung über der Stadt thront das düstere Schloß, das dem Schloß der bösen Hexe in Der Zauberer von Oz beängstigend ähnlich sieht. Jedesmal, wenn ich zu ihm aufsah, erwartete ich, diese geflügelten Affen einund ausfliegen zu sehen. Obwohl Vaduz jahrhundertelang als Provinznest vor sich hin vegetiert hat, ist der Stadt ihr hohes Alter nirgends anzusehen. Sie sieht aus, als wäre sie vor zwanzig Jahren in
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