Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wo bitte geht's nach Domodossola

Titel: Wo bitte geht's nach Domodossola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
Vom Netzwerk:
monumentalen Hôtel de Ville und dem kaum weniger stattlichen Maison du Roi gegenüber, das trotz seines Namens nie als Königspalast gedient hat. Dazwischen reiht sich ein schmales, kunstvoll verziertes Gildehaus an das andere. Fast jedes dieser Gildehäuser beherbergt in seinem Erdgeschoß ein schummriges, gemütliches Café mit massiven Holzmöbeln und einem prasselnden Kaminfeuer. Dort kann man bei einem Kaffee oder einem Glas Bier den Blick auf die verführerische Kulisse genießen, und viele Leute scheinen den lieben, langen Tag kaum etwas anderes zu tun. Ich liebäugelte mit dem De Gulden Boot, obwohl mich dort bei meinem letzten Besuch ein Kellner auf schamlose Weise um mein Wechselgeld betrügen wollte. Nur weil ich einen Manneken-Pis-Trainingsanzug trug, hat er mich offenbar für einen gewöhnlichen Touristen gehalten, und ich mußte meinen unerbittlichsten »Nicht-mit-mir-GastonBlick« aufsetzen, um an mein Geld zu kommen. Da ich jedoch nicht nachtragend bin – es sei denn, es handelt sich um Richard Nixon –, trat ich ohne zu zögern ein. Es ist das netteste Café am Platz, und ein bißchen Eleganz zum Kaffee ist meiner Meinung nach einen kleinen Aufpreis wert. Aber zählen Sie Ihr Wechselgeld nach, meine Damen.
    Zweieinhalb Tage besichtigte ich die Sehenswürdigkeiten der Stadt - das großartige Musée d’Art Ancien, das Musée d’Art Moderne, die beiden Historischen Museen im Parc du Cinquantenaire, das Musée Horta und sogar das düstere und in Vergessenheit geratene Institut des Sciences Naturelles. Zwischendurch schlenderte ich einfach gedankenverloren zwischen den endlosen Bürokomplexen umher.
    Brüssel ist eine erschreckend häßliche Stadt, voll Müll, voll matschiger Baustellen und Boulevards wie Autobahnen. Es ist die Stadt der grauen Verwaltungshochhäuser und der anonymen Büroangestellten, die Briefkastenhauptstadt Europas. In Brüssel gibt es weniger Parks als in irgendeiner Stadt, die ich kenne, und so gut wie keine Besonderheit, um es zu empfehlen – kein Schloß auf einem Hügel, keine gewaltige Kathedrale, keine Straße mit außerordentlich eleganten Geschäften, keine verschneiten Gipfel im Hintergrund, keine bunt beleuchtete Strandpromenade. Diese Stadt hat nicht einmal einen Fluß. Früher hatte Brüssel eine Stadtmauer, aber alles, was davon geblieben ist, sind ein paar bröckelige Steine, die neben einer Kegelbahn an der Rue des Alexiens in der Erde stecken. Das Beste, das sich über Brüssel sagen läßt, ist, daß es nur drei Stunden von Paris entfernt liegt. Wenn ich in der EG etwas zu sagen hätte, und, glauben Sie mir, Ihnen könnte Schlimmeres passieren, würde ich zu allererst dafür sorgen, daß die Hauptstadt nach Dublin oder Glasgow oder vielleicht auch nach Neapel verlegt wird, in eine Stadt jedenfalls, wo die Arbeitsplätze willkommen wären und wo die Bürger noch mit einem gewissen Stolz auf ihre Stadt blicken, was man von den Brüsselern leider nicht behaupten kann.
    Es gibt sicher nicht viele Städte, deren Einwohner weniger Achtung vor ihrem geschichtlichen Erbe bewiesen haben, als Brüssel. Beispiel: Fünfunddreißig Jahre war die Stadt die Heimat von Victor Horta, dem Vater der Jugendstilarchitektur, der zu seinen Lebzeiten ein so gefeierter Mann war, daß man ihn zum Baron ernannte. Er war für Brüssel, was Mackintosh für Glasgow und Gaudi für Barcelona ist. Dennoch erteilte die gleichgültige Stadtverwaltung den Immobilienspekulanten im Laufe der Jahre alle erforderlichen Genehmigungen, um fast jedes seiner schönsten Bauwerke abzureißen: das Anspach Warenhaus, das Maison du Peuple, das Brugmann Krankenhaus, das Roger Haus. Heute hat Brüssel beachtlich wenig aufzuweisen, das sich anzusehen lohnt. Stundenlang kann man durch die Straßen laufen, ohne auf etwas zu stoßen, dessen Anblick das Herz ein wenig höher schlagen läßt.
    Ich bin überzeugt, daß die Dinge sich allmählich bessern. Wenn man früher aus dem Bahnhof trat, fiel der erste Blick über die Dächer der Altstadt, und genau in die Mitte dieser vielversprechenden Aussicht hatte man nicht etwa, wie in anderen Städten üblich, eine Kathedrale mit goldenem Dach oder ein barockes Rathaus gesetzt, sondern einen Parkplatz und eine Tankstelle. Beides wurde inzwischen abgerissen und durch ein paar Backsteinbauten ersetzt – keine brillante Architektur, aber sicherlich besser als eine Tankstelle. Einheimische haben mir wiederholt versichert, daß die Stadtverwaltung endlich ihre nachlässige

Weitere Kostenlose Bücher