Wo bitte geht's nach Domodossola
Postämtern in allen Ländern der Gemeinschaft von einheitlicher Länge sind und daß ein Getränkeautomat in Frankreich genau so viele Becher verkehrt herum ausspuckt wie sein Kollege in Italien.
Für einen Amerikaner ist es interessant zu verfolgen, wie die reichsten Länder Europas ihre Souveränität an eine Körperschaft abtreten, die außer Kontrolle geraten zu sein scheint und niemandem gegenüber verantwortlich ist. Wußten Sie, daß die Europäische Kommission aufgrund ihrer byzantinischen Struktur nicht einmal genau sagen kann, »wieviele Mitarbeiter sie hat und womit sie sich alle beschäftigen«? (Ich zitiere aus The Economist. ) Ich finde das besorgniserregend. Ich persönlich habe beschlossen, die EG nicht zu mögen, als sie den Briten ihre schicken, marineblauen Pässe wegnahm, um sie durch diese labberigen, roten Hefte zu ersetzen, die aussehen wie die Ausweispapiere polnischer Seeleute. Es ist immer dasselbe mit so großen Institutionen. Sie haben keinen Stil.
Ich weiß nicht viel über die Arbeitsweise der EG, aber mir ist ein Sachverhalt bekannt, der, wie ich meine, ihre Leistungsfähigkeit ins rechte Licht rückt: 1972 hat die Europäische Konferenz über Post und Telekommunikation eine einheitliche Telefonvorwahl für alle Länder des Gemeinsamen Marktes gefordert, nämlich die 00. Seither bemühen sich die verschiedenen Mitgliedsstaaten um eine Einigung, bisher allerdings vergeblich. Man muß ihnen wohl noch einmal achtzehn Jahre Zeit lassen, vielleicht kommen die Dinge dann ins Rollen.
Belgien
Ich verbrachte ein paar angenehm müßige Tage damit, im Zug kreuz und quer durch Belgien zu reisen. Belgien ist schon ein sonderbares Land. Es ist alles andere als eine geschlossene Nation; es sind vielmehr zwei: das Niederländisch sprechende Flandern im Norden und das französischsprachige Wallonien im Süden. Die Südhälfte verfügt über die schönsten Landschaften, die hübschesten Dörfer, die beste Küche und beherrscht noch dazu die feine Lebensart der Franzosen, während der Norden die schönsten Städte, die herausragendsten Museen und Kirchen, die Häfen, die Badeorte an der Küste, die Mehrzahl der Einwohner und das meiste Geld hat. Die Flamen können die Wallonen nicht ausstehen, und die Wallonen können die Flamen nicht ausstehen. Wenn man sich aber ein wenig mit ihnen unterhält, merkt man, daß ein noch größerer Abscheu gegenüber Franzosen und Holländern das ist, was sie dennoch zusammenhält. Einmal bin ich einen ganzen Tag mit einem Niederländisch sprechenden Einheimischen durch Antwerpen gelaufen, und an jeder Straßenecke machte er mich auf ein unschuldig wirkendes Paar aufmerksam und murmelte angewidert »Holländer!«. Er war erstaunt, daß ich zwischen einem Flamen und einem Holländer keinen Unterschied erkannte.
Spricht man die Flamen auf die Gründe für ihre Abneigung an, werden sie ein wenig vage. Am häufigsten hörte ich die Beschwerde, daß Holländer unangemeldet zur Essenszeit erscheinen und nie Geschenke mitbringen.
»Ah, wie unsere guten, alten Schotten«, würde ich sagen. In Antwerpen habe ich eine Menge über dieses Thema erfahren.
Eigentlich wollte ich mir dort nur die Kathedrale ansehen, aber ich blieb bis in den Abend und bummelte durch die unzähligen Bars, die vielleicht die gemütlichsten in ganz Europa sind: kleine, verrauchte Kneipen, so mollig warm wie Nigel Lawsons Weste, mit dunklem Holz vertäfelt und von schummrig gelbem Licht erhellt und immer voller strahlender, scheinbar glücklicher Menschen, die sich bestens amüsieren. In Antwerpen kommt man schnell mit den Leuten ins Gespräch, denn sie sind offen, und fast alle sprechen sie perfekt Englisch. Eine Stunde lang unterhielt ich mich mit zwei jungen Straßenkehrern, die auf dem Nachhauseweg auf ein Gläschen eingekehrt waren. Wo, außer in Nordeuropa, kann sich ein Ausländer in seiner Muttersprache mit einem Straßenkehrer unterhalten?
Immer wieder fiel mir auf, wie viel sie über uns wissen und wie wenig dagegen wir von ihnen. Monatelang kann man die englischen Zeitungen lesen – die amerikanischen bis in alle Ewigkeit –, und man wird nicht einen einzigen Artikel über Belgien darin finden. Und dennoch passieren dort interessante Dinge.
Denken Sie nur an die Bande von Nijvel. Das war eine Terrorgruppe, die Mitte der achtziger Jahre für kurze Zeit das Land unsicher machte. Sie fielen über Supermärkte und gut besuchte Restaurants her, schossen wild um sich und töten wahllos
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