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Wo bitte geht's nach Domodossola

Titel: Wo bitte geht's nach Domodossola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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Ausnahme der nach wie vor unmöglichen Taxifahrer war jedermann beinahe freundlich, ob Verkäufer, Kellner oder Polizist. Ich habe sogar einmal einen Kellner lächeln sehen. Und jemand hat mir eine Tür aufgehalten, statt sie mir gegen die Nase knallen zu lassen. Es begann schon, mich zu irritieren. Doch dann, an meinem letzten Abend, als ich gerade einen Spaziergang in der Nähe der Seine machte, wurde ich auf dem schmalen Gehweg von einer Familie überholt. Es waren zwei Erwachsene und zwei jugendliche Kinder. Ohne ihr Tempo zu verlangsamen oder ihre angeregte Unterhaltung zu unterbrechen, rauschten sie an mir vorbei und drängten mich auf die Straße ab. Ich hätte sie umarmen können. Am Morgen meiner Abfahrt trottete ich durch den Regen zum Gare de Lyon, um dort ein Taxi zum Gare du Nord zu nehmen und dann mit dem Zug weiter nach Brüssel zu fahren. Wegen des schlechten Wetters stand aber kein Taxi am Bahnhof. Also wartete ich. Fünf Minuten wartete ich allein, dann gesellten sich allmählich andere Leute zu mir und stellten sich hinter mir an. Als endlich ein Taxi kam und direkt vor mir hielt, nahm ich überrascht zur Kenntnis, daß siebzehn erwachsene Männer und Frauen zu glauben schienen, sie hätten das gute Recht, vor mir einzusteigen. Ein Mann mittleren Alters in einem Kaschmirmantel, unverkennbar wohlhabend und gebildet, wurde sogar handgreiflich. Ich gab eine Reihe von empörten, gallischen Huplauten von mir – »Mais non! Mais non!« – und behauptete meine Position, indem ich mit meiner Leibesfülle die Tür verstopfte. Ich sprang in den Wagen, widerstand der Versuchung, den unverfrorenen Menschen beim Schlips zu packen und ihn bis zum Gare du Nord neben uns her traben zu lassen, und bat den Fahrer nur, mich schnell von dort wegzubringen. Der sah mich an, als wäre ich ein großes, unförmiges Stück Scheiße, schüttelte sich angeekelt und gab Gas. Erfreut stellte ich fest, daß sich manche Dinge niemals ändern. 

    Brüssel

    In Brüssel stieg ich am falschen Bahnhof aus dem Zug. Das kann passieren, wenn man ein bißchen dämlich ist und die ganze Zeit vor sich hin gedöst hat und dann plötzlich vor dem Fenster das Schild BRUXELLES auf einem Bahnsteig sieht. Von panischem Schrecken ergriffen sprang ich auf, drängelte mich mit meinem dicken Rucksack an den anderen Fahrgästen vorbei in Richtung Ausstieg, sprang Peter Pan gleich auf den Bahnsteig und landete in dem Moment, als der Zug gerade sein dampfiges whoosh! ausstieß und wieder anfuhr. Es kam mir nicht weiter komisch vor, daß außer mir niemand aus dem Zug gestiegen war oder daß der Bahnhof geradezu gespenstisch verlassen dalag. Erst als ich aus dem Bahnhofsgebäude in den feinen Nieselregen hinaustrat, der beständig über Brüssel hängt, begriff ich, daß ich mich in einem Teil der Stadt befand, in dem ich nie zuvor gewesen war: eines dieser anonymen Viertel, in denen alle Häuser grau sind, wo jede freie Seitenwand über drei Stockwerke mit Werbung bemalt ist und wo die Geschäfte Dinge wie Pumpen für den heimischen Swimming-pool und Schilder mit der Aufschrift Einfahrt freihalten verkaufen. Ich wollte zum Gare Centrale und hätte auch mit dem Gare du Nord oder dem Gare du Midi und sogar mit dem Gare Josaphat vorliebgenommen, aber wo ich hier gelandet war, das wußte ich beim besten Willen nicht. Ich biß die Zähne zusammen und marschierte los, auf etwas zu, das ich für das Zentrum von Brüssel hielt – eine Gruppe von Hochhäusern, die sich undeutlich am fernen, verregneten Horizont abzeichnete. Ich war nicht zum ersten Mal in Brüssel und bildete mir ein, mich in der Stadt einigermaßen auszukennen. Sicher würde mir die Gegend gleich bekannt vorkommen. Nach einem halben Kilometer meinte ich die Rückseite des Palais de Justice zu erkennen, das Gebäude entpuppte sich jedoch als eine Fabrik für Hundefutter. Ich lief und lief durch endlose Straßen, die alle gleich aussahen, ein Häusermeer von grauer Eintönigkeit, das Brüssel in einem Ausmaß zu besitzen scheint wie sonst keine Stadt in Europa.
    Ich hasse es, Leute nach dem Weg zu fragen. Jedesmal habe ich Angst, die Person, an die ich gerate, könnte erstaunt zurückschrecken und ausrufen » Wo wollen Sie hin? In die Innenstadt von Brüssel? Mein Gott, haben Sie sich verlaufen. Sie sind in Lille, Sie armes Schwein«, um sich dann an andere Passanten zu wenden und zu sagen
    »Haben Sie das gehört? Der meint, er wär in Brüssel«, woraufhin ich mir den Weg durch eine Menge

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