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Wo bitte geht's nach Domodossola

Titel: Wo bitte geht's nach Domodossola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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konnte. Zu meinem Entzücken saß an dem Schalter, vor dem ich Schlange stand, ein bildhübsches VW-Mädchen. Sie war nicht umwerfend attraktiv, hatte auch nicht diese Art Hintern, bei dessen Anblick man feuchte Hände kriegt, wenn er sich zum Aktenschrank bewegt, aber sie war intelligent, lieb, geduldig, mitfühlend und sprach mit diesem herrlichen holländischen Akzent, bei dem einem einfach das Herz schmilzt. Sie kümmerte sich liebenswert und sachkundig um jeden Kunden und wechselte mühelos vom Französischen ins Deutsche und vom Englischen ins Holländische – und alles mit diesem köstlichen Akzent. Ich war verknallt. Ich gebe es offen zu. Da saß ich in dieser endlosen Schlange fest und konnte nicht anders, als sie dämlich anzustarren und alles an ihr zu bewundern – die Art, wie sie ihr Haar hinters Ohr schob, wie sie die Nase rümpfte, während sie im Telefonbuch blätterte, oder wie sie mit dem Radiergummiende ihres Bleistifts eine Telefonnummer wählte. Als ich endlich vor ihr stand, hätte ich am liebsten zu ihr gesagt: »Laß uns sofort ins Bett gehen und dann übers Heiraten reden.« Doch statt dessen bat ich sie nur schüchtern, mir eine Bleibe irgendwo in der nördlichen Hemisphäre zu suchen. Sie besorgte mir ein Zimmer in Haarlem.

    Haarlem war sehr angenehm. Die Leute vor mir in der Schlange wären beinahe in Ohnmacht gefallen, als sie hörten, daß sie Amsterdam verlassen mußten, um noch ein Zimmer zu bekommen, aber mir war es ganz recht. Haarlem liegt nur zwanzig Minuten mit dem Zug von Amsterdam entfernt und ist eine schöne, kleine Stadt mit einer herrlichen Kathedrale auf einem gemütlichen Platz. Es gab jede Menge gute Restaurants, die preiswerter und weniger überlaufen waren als die in Amsterdam. Ich aß ein Steak von der Größe einer Wärmflasche, machte einen ausgiebigen Stadtbummel, stand beeindruckt im Schatten der Kathedrale, kehrte dann ins Hotel zurück, sprang unter die dampfende Dusche und ging wunschlos glücklich zu Bett.
    Am nächsten Morgen fuhr ich wieder nach Amsterdam. Früher habe ich es genossen, sonntags morgens durch eine fremde Stadt zu schlendern, doch ein solcher Spaziergang wird immer unerfreulicher. Auf Schritt und Tritt stößt man auf die Überreste der Samstagnacht – auf Lachen aus Erbrochenem, auf Abfälle und zerbeulte Bierdosen. Und die Läden sind fast ausnahmslos mit deprimierenden Gittern oder eisernen Rolläden versperrt, so daß jede Straße gefährlich und furchterregend wirkt, was in Europa ja geradezu absurd ist. In einer harmlosen Fußgängerstraße namens Heiligeweg hatte man beinahe jede Ladenfassade mit eisernen Rolläden verbarrikadiert – sogar das Büro von Aer Lingus. Was gibt es in einem Büro von Aer Lingus schon zu klauen? Das kleine Modellflugzeug im Fenster vielleicht?
    Kaum hatte ich die Grachten erreicht – die Singel Gracht, die Herengracht, die Keizersgracht und die Prinsengracht – zeigte sich die Stadt wieder von ihrer freundlichen Seite. Ich bummelte aufs Geratewohl durch die Straßen und schlurfte, umgeben von schmalen, hohen Häusern und alten Bäumen, durch Laub und Abfälle. Entlang der Grachten ist Amsterdam eine ungewöhnlich schöne Stadt, besonders an einem Sonntagmorgen, wenn die Straßen fast menschenleer sind. Auf einer sonnenbeschienen Treppe saß ein Mann mit einer Tasse Kaffee und einer Zeitung. Ein anderer kam von irgendwoher mit einer Flasche Wein zurück. Ein junges Paar ging in postkoitaler Seligkeit Arm in Arm an mir vorbei, und gelegentlich überquerte ein Radfahrer gemächlich die Straße, um kurz darauf in einer Seitenstraße wieder zu verschwinden. Außer ihnen sah ich während meines zweistündigen Spaziergangs nicht eine Menschenseele.
    Wieder und wieder beugte ich mich auf einer der kleinen, gewölbten Brücken über das Geländer, starrte auf das grüne Wasser hinab und verlor mich in einfältigen Träumereien, bis ein Ausflugsdampfer voller Touristen mit Kameras die sich spiegelnde Straßenszene unter mir durchschnitt und den Bann brach. In seinem Kielwasser schaukelte stets eine kleine bunte Ansammlung von Plastikflaschen, Zigarettenschachteln und Pappkartons von McDonald’s oder Burger King und erinnerte mich daran, daß Amsterdam auch eine schmutzige Stadt ist, voller Hundescheiße, Müll und Graffiti. Telefonzellen, Parkbänke, die Wände fast aller Gebäude, sogar die marmornen Gewölbe der Passage unter dem Rijksmuseum – alles ist mit Graffiti beschmiert. Ich habe noch nie so viel

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