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Wo bitte geht's nach Domodossola

Titel: Wo bitte geht's nach Domodossola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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zu klein war. Man sah ihm an, daß er in seiner Jungend einen Joint zuviel geraucht hatte, so daß er nun den Eindruck erweckte, als sollte er stets ein Kärtchen mit seinem Namen bei sich tragen, für den Fall, daß er sich einmal schnell daran erinnern müßte. Er verkaufte uns kleine Mengen Haschisch, und um sechs Uhr genehmigten wir uns, als Appetitanreger sozusagen, den ersten Joint, um anschließend in das indonesische Restaurant nebenan überzuwechseln. Und wenn sich dann die Dunkelheit über die Stadt legte, wenn die Huren ihre Posten an den Straßenecken einnahmen und wenn sich die Abendluft mit den berauschenden Düften von Cannabis und Fritten mischte, dann zog es uns in die Straßen hinaus, wo wir uns bereitwillig ins Chaos entführen ließen. Häufig gingen wir ins Paradiso, eine alte Kirche, die man in ein Nachtlokal umfunktioniert hatte, und versuchten erfolglos, Mädchen aufzureißen. Katz erprobte eine Methode, die ich als die schlechteste der Welt bezeichnen möchte. Mit ernster, fast besorgter Miene näherte er sich einem Mädchen und sagte: »Entschuldige, ich weiß, wir kennen uns nicht, aber könntest du mir helfen, etwas fünfzehn Zentimeter von der Stelle zu bewegen?«
    »Was?« würde das Mädchen dann wissen wollen.
    »Vierzig Gramm flüssiges Sperma«, pflegte Katz mit einem breiten Grinsen zu antworten. Es hat nie funktioniert, aber immerhin war diese Methode nicht weniger erfolgreich als meine Annäherungsversuche. Ich wandte mich grundsätzlich an das unscheinbarste unter den anwesenden Mädchen und fragte sie, ob ich ihr einen Drink spendieren dürfe, woraufhin ich mir regelmäßig sagen lassen mußte, daß ich mich verpissen soll. Es blieb uns also nichts anderes übrig, als die Nächte damit zu verbringen, uns in einen Zustand zu versetzen, den wir FKF, fortgeschrittene kognitive Funktionsstörung, nannten. Eines Abends gerieten wir an ein paar Afrikaner. Katz ermutigte sie, in ihrem Heimatland einen Aufstand anzuzetteln, und wurde nach und nach so betrunken, daß er ihnen seine Uhr schenkte (anscheinend war er der Meinung, Pünktlichkeit sei bei einer Revolution das A und 0). Es war eine Bulova, die schon seinem Großvater gehört hatte. Sie war ein Vermögen wert. Immer wenn ich ihn von nun an versehentlich nach der Uhrzeit fragte, bekam ich die verdrießliche Antwort: »Das weiß ich nicht. Ich habe einen Mann in Zululand, der sich für mich um diese Dinge kümmert.« Am Ende der Woche stellten wir fest, daß wir genau die Hälfte unseres Reisebudgets von 700 Dollar pro Kopf ausgegeben hatten, und wir kamen zu dem Schluß, es sei nun an der Zeit, weiterzufahren.

    Die Holländer sind den Engländern sehr ähnlich. Beide sind sie auf eine sympathische Art schlampig. Man sieht es an der Art, wie sie ihre Autos parken, wie sie ihre Mülltonnen an die Straße stellen, wie sie ihre Fahrräder gegen den nächsten Baum, die nächste Wand oder das nächste Geländer fallen lassen. Keine Spur von dieser zwanghaften Pingeligkeit, wie man sie in Deutschland oder in der Schweiz antrifft, wo die Autos in den Wohnstraßen aufgereiht stehen, als hätte jemand sie mit Hilfe eines Zollstocks und einer Wasserwaage gerade gerückt. In Amsterdam werden die Autos einfach an den Grachten stehengelassen, und oft hat es den Anschein, als könnten sie jeden Moment ins Wasser kippen. Die Holländer sprechen sogar ähnlich wie die Engländer. Das hat mich immer verwirrt. Früher bei der Times habe ich lange Zeit mit einem Holländer zusammengearbeitet, und als ich ihn einmal fragte, ob man den Namen des Künstlers nun van Go oder van Gok ausspricht, sagte er:
    »Nein, nein, es heißt Vincent van –«, und es folgten eine Reihe von grauenhaft abgehackten Lauten, als hätte sich in seiner Kehle eine Motte eingenistet. Später fragte ich ihn nach den holländischen Entsprechungen einiger wahllos herausgegriffener Ausdrücke – Internationaler Weltwährungsfonds, Porreegemüse, Cunnilingus –, und jedesmal antwortete er mit diesen Geräuschen, die sich wie ein trockener Husten anhörten. Auf der Straße klopften ihm manchmal Passanten auf den Rücken oder boten sich an, ihm ein Glas Wasser zu holen. Ich habe es auch mit anderen Holländern probiert. (Es ist ein netter Zeitvertreib, wenn man auf einer Party einen Holländer trifft und nicht weiß, worüber man mit ihm reden soll.) Immer bekam ich dasselbe Ergebnis. Doch das Komische ist, daß es ganz anders klingt, wenn Holländer miteinander reden. Dann

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