Wo Dein Herz Zu Hause Ist
stimmt’s?», fragte er, während er mit dem Finger auf die Fische deutete.
Sie nickte.
«Als Menschen wären sie bestimmt die brutalsten Guerillakrieger», verkündete er.
Harri war ein bisschen überrascht über diesen Vergleich, aber er leuchtete ihr sofort ein. «Ich schätze, da hast du recht», sagte sie nachdenklich.
James schüttelte seufzend den Kopf. Für ihn waren dieFische offenkundig einfach nur Fische. Dann machte er sich an dem Aquarium zu schaffen, und Malcolm folgte Harri in die Küche.
«Und?», fragte er herausfordernd.
«Was und?»
«Wie oft willst du meinem besten Freund noch das Herz brechen?»
«Ich glaube, damit bin ich durch.»
«Das hoffe ich auch», sagte er und ließ sich einen Kaffee einschenken. «Und was jetzt?»
«Ich habe keine Ahnung.»
«Er wird dich immer lieben.»
«Du klingst wie Whitney Houston.»
«Mach dich nicht lustig darüber, er ist am Boden zerstört.»
«Tut mir leid.» Plötzlich strömten Harri Tränen über die Wangen.
Hör auf zu heulen, du blöde Gans!
Mit einem Mal war Malcolms Aggressivität verschwunden, und sie lagen sich in den Armen.
«Du wirst mir fehlen, Harri Ryan.»
Harri konnte nicht antworten. Stattdessen schluchzte sie verzweifelt an der Schulter des besten Freundes ihres Verlobten. Als sie schließlich aufhören konnte zu weinen, lösten sie sich voneinander, und Malcolm brachte seinem ebenso verzweifelten Freund James eine Tasse Kaffee. James zerbrach sich gerade den Kopf darüber, wie man am besten ein extrem großes Aquarium auseinanderbaute, ohne das Leben seiner Bewohner zu riskieren.
Das wird noch ein sehr langer Tag werden.
Innerhalb von drei Stunden waren die beiden wieder gegangen.
Harri lief auf der Suche nach einer Spur von Jamesdurch die Wohnung, aber sie fand nichts. Dann ließ sie sich auf das Sofa sinken, rollte sich zusammen und blieb stundenlang bewegungslos liegen.
Kurz nach sechs Uhr klingelte George, um sie abzuholen. Harri stieg zu ihm ins Auto.
«Aidan hat zugegeben, dass er mal wieder den Mund nicht halten konnte», sagte George seufzend.
«Aidan ist eben ein unverbesserliches Waschweib.» Sie lachte etwas gezwungen. Harri hasste angespannte Situationen.
«Das kann man wohl sagen.» Er schwieg einen Moment. «Entschuldige, dass ich mich so zurückgezogen hatte.»
«Schon okay.»
«Mum hat vollkommen die Fassung verloren, und ich wusste nicht, wie ich damit umgehen soll.» George kannte diese Seite seiner Mutter nicht, und ihr Ausbruch hatte ihn erschreckt.
«Sie hat die Fassung verloren?», fragte Harri, die spürte, wie sich ihr Atem beschleunigte.
«Aber du behältst jetzt die Fassung, Harri. Versprochen?»
«Versprochen», sagte sie und atmete bewusst langsamer.
«Ich weiß nicht, was eigentlich los ist», sagte er.
«Okay», sagte sie und kontrollierte weiter ihren Atem, ohne eigentlich zu wissen warum.
«Aber eins weiß ich – was es auch ist, wir kommen damit klar.»
«Das werden wir.»
«Abgemacht», bestätigte er. «Außerdem ist es vielleicht gar nichts weiter.»
«Abgemacht», sagte sie. «Aber, George?»
«Ja?»
«Irgendein Gefühl sagt mir, dass unser Leben nie mehr so sein wird wie früher.»
«Wie melodramatisch!», stichelte George, doch im Innersten wusste er, dass sie recht hatte. Die restliche Fahrt über schwiegen sie.
Zwei Tage zuvor war Father Ryan gerade von einem Gottesdienst zurückgekommen, als das Telefon klingelte. «Du musst nach Dublin kommen.»
«Sagst du mir auch, warum?»
«Wir erzählen es ihnen.»
«Das ist die richtige Entscheidung.»
«Wir haben ohnehin keine Wahl.»
«Es ist trotzdem richtig.»
«Ich wünschte, ich wäre da genauso sicher wie du.»
«Sie muss es erfahren.»
«Wir wissen aber beide nicht, welche Folgen das für uns hat.»
«Duncan, die Zeiten waren damals anders. Die Kirche und der Staat hatten viel mehr Einfluss. Abgesehen davon ist Harri eure Tochter.»
«Sie wird uns hassen.»
«Vielleicht eine Zeitlang, aber am Ende ist sie doch eine Ryan.»
«Wir würden es nicht ertragen, sie zu verlieren.»
«Ihr verliert sie nicht.»
«Also versprichst du zu kommen?»
«Natürlich.»
«Danke, Father Ryan.»
«Das tue ich gern für dich, Bruder.»
George schloss mit seinem eigenen Schlüssel auf. Harri hing ihrem Bruder am Rockschoß wie ein ängstlicher Fronarbeiter aus einer vergangenen Epoche.
Kann ich noch ein bisschen Käse haben, Herr?
Sie setzten sich an den Esstisch. Duncan entkorkte eine Flasche Wein. Gloria
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