Wo der Elch begraben liegt
das machte ihr nichts aus. Sie hatte bereits eine Zweizimmerwohnung zur Untermiete in Vasastan an der Angel. Eine ihrer drei ersten Alternativen würde sie sicher bekommen. Und da Peter noch nichts mit einer Wohnung geregelt hatte, würde er sie vermutlich fragen, ob er nicht bei ihr wohnen könne. Ein beinahe lächerliches Glücksgefühl erfüllte sie, als sie ihre Gedanken zu den Erinnerungen der letzten vier Monate schweifen ließ. Peters Lachen, Peters Ideen und lustige Witze, Peters Klugheit und Engagement, Peters Hände auf ihrem Körper … Dass er sich nicht in Cilla verliebt hatte, war eigentlich ein Wunder. Sie war groß, dunkelhaarig und schlank – alles, was Frida nicht war. Doch er hatte gesagt, dass er » brains« haben wollte und nicht nur einen schönen Körper. Das war ein Kompliment, das gleichermaßen schön und schrecklich klang. Wenn man dreiundzwanzig Jahre alt ist, möchte man am liebsten über beides verfügen. Frida war fünfzehn Zentimeter kleiner als Cilla und wog genauso viel. Vermutlich mehr. Doch wenn sie ihr blondes Haar hochtoupierte, die Augen schwarz und die Lippen knallrot anmalte, sah sie eigentlich ganz okay aus. Nicht so elegant und hübsch wie Cilla, doch ziemlich charmant und vielleicht sogar süß. Cilla weckte Frida aus ihren Tagträumen.
» Wie glücklich du aussiehst. Das liegt doch wohl nicht am Kaffee?«
Frida kletterte auf die Fensterbank und bedeutete Cilla, sich neben sie zu setzen.
» Einzig und allein daran. Ist heute geradezu magisch gut. Probier mal!«
» Ist das dein Ernst?«, fragte Cilla verwundert.
» Nein, natürlich nicht«, entgegnete Frida. » Aber schließlich bin ja nicht ich mit roten Bäckchen in die Klasse gekommen. Was hast du denn heute getrieben? Erzähl!«
» Kann man gar nicht richtig erklären. Ich bin eine Idiotin. Ich bin so verknallt, das gibt’s gar nicht.«
» Schon wieder?«
» Hey, das hier ist etwas völlig anderes. Diesmal fühlt es sich genau richtig an.«
» Und wer ist es?«
» Can’t tell you.«
» Wieso nicht?«
» Das geht einfach nicht. Du wirst es mit der Zeit schon erfahren, aber nicht jetzt.«
» Wie alt ist er? Wie sieht er aus? Wo trefft ihr euch?«
Cilla fing an zu lachen. »Bist du Journalistin oder wie? Er sieht gut aus, er ist älter als ich, er ist klug, etabliert, hat eine gute Stellung. Er ist genau der Richtige.«
» Wohnt er hier in der Stadt?«
» Große Villa. Blick auf den Hafen.«
» Aber was machst du denn jetzt mit deinem Praktikum? Du hast dich doch bloß bei den bunten Wochenblättern in Stockholm und Malmö beworben.«
» Ich habe meine letzte Wahl in meine erste umgeändert und ganz oben auf die Wunschliste gesetzt. Ich kann dir versichern, dass ich die Einzige bin, bei der die Presseabteilung der Göteborger Stadtverwaltung auf dem ersten Platz steht.«
» Bist du verrückt? Das ist doch der schlechteste Deal der ganzen Welt!«
» Ganz im Gegenteil. Das ist eine Voraussetzung für mein neues Leben. Eine ganz einfache Abkürzung«, erwiderte Cilla lachend.
Die übrigen Studenten begannen, sich wieder in den Klassenraum zu bewegen. Als Frida durch die Tür lief, spürte sie eine Hand hinten auf ihrem Oberschenkel. Sie drehte den Kopf zur Seite und sah Peters Blick und sein Lächeln.
» Alles in Ordnung?«
Frida presste sich gegen seine Hand und nickte. Jetzt war alles in Ordnung. Er war da. Er wollte ja lediglich diskret sein, und das war durchaus vernünftig.
Die Stühle klapperten, und Janne Ahlsén musste die Versammelten mehrmals um Ruhe bitten, bis er mit der letzten Stunde des Semesters beginnen konnte. Nach dem Mittagessen würden nur noch die Praktikumsplätze verteilt und die Schränke ausgeräumt werden. Am Abend sollte es für alle Studenten und Dozenten eine Party in der Bistro Bar geben, und dann begannen die Weihnachtsferien. Janneschrieb eine Überschrift und drei Sätze an die Tafel.
» Das ganze nächste Semester müssen Sie alleine klarkommen. Sie können sich natürlich immer an uns wenden, wenn Sie Fragen haben oder Probleme auftauchen, aber eigentlich ist es so gedacht, dass sie da draußen als selbständige Journalisten an ihren Arbeitsplätzen tätig sind. Deshalb wollen wir jetzt noch einmal die wichtigsten Grundregeln wiederholen, damit die dann auch wirklich im Gedächtnis eingebrannt sind. Können Sie sich an die erste Stunde erinnern, die Sie hier an der Hochschule bei mir hatten? Da haben wir uns hiermit beschäftigt.«
Janne zeigte auf die Textzeilen
Weitere Kostenlose Bücher