Wo der Pfeffer wächst (Sonderpreis bis zum 31.07.2012) (German Edition)
Hunger mehr habe.
Noch bevor ich das Restaurant betrete, klingelt mein Telefon. Bin ich tatsächlich gerade noch der Annahme gewesen, dass es nicht mehr hätte schlimmer kommen können?? Es ist meine Mutter ...
„Daniel hat gerade angerufen“, brummt sie ins Telefon, noch bevor ich sie begrüßen kann. „Er meinte, dass ihr euch getrennt habt und du mit seinem besten Freund in die Kiste gehüpft bist. Stimmt das?“
Ich würde das Ganze gerne aufklären, komme jedoch – wie gewohnt – nicht zu Wort.
„Und jetzt will er seine Sachen holen, aber du lässt ihn nicht rein. Was ist da schon wieder bei dir los?“
Sie redet ohne Punkt und Komma. Da ich mir darüber im Klaren bin, dass ich während dieses Gesprächs nichts mehr zu melden haben werde, suche ich mir schon einmal einen gemütlichen Tisch und gehe die Speisekarte durch. Nudeln hatte ich schon lange nicht mehr. Salat hört sich auch gut an, macht mich aber jetzt vermutlich nicht satt. Crêpe mit Preiselbeeren klingt gut. Allerdings hätte ich dazu gerne noch etwas Herzhaftes. Auf die Ofenkartoffel hätte ich jetzt Lust. Gebratene Champignons als Beilage.
„Darf ich schon die Bestellung aufnehmen?“, fragt die Serviererin freundlich und beäugt nebenbei kritisch mein Handy, das auf dem Tisch liegt und aus dem – auch ohne eingeschaltetem Lautsprecher – unablässig die Vorwürfe meiner Mutter ertönen. „Ist das ein Hörbuch?“, fragt sie mit hochgezogenen Augenbrauen.
Ich nicke. „Ein Psychothriller. Es geht um eine Mutter, die ihre Tochter in den Wahnsinn treibt.“
Sie lächelt verständnisvoll. „Ach ja, die Lektüre kenne ich auch. Wenn ich mich recht entsinne, ist das ein Mehrteiler ohne richtiges Ende.“
„Genau. Die Hauptdarsteller wechseln hin und wieder, aber die Handlung bleibt immer relativ ähnlich.“
Kichernd nimmt sie meine Bestellung entgegen und verschwindet in die Küche. Mein Telefon leuchtet auf. Offenbar hat meine Mutter aufgelegt. Vermutlich ist ihr das Gespräch zu teuer geworden. Ich an ihrer Stelle würde auch kein Geld für Ansprachen ausgeben wollen, die ich schon gefühlte zwanzig Millionen Mal gepredigt habe. Überhaupt würde es sie viel günstiger kommen, wenn sie es mir auf eine CD brennen würde, die nach Lust und Laune abgespielt werden könnte. Dass ich mir den Quatsch dann natürlich keinesfalls anhören würde, ist eine andere Sache.
Sobald ich meine Wohnung betrete, genieße ich die Tatsache, dass alles noch genauso ordentlich ist, wie zu dem Zeitpunkt, als ich sie verlassen habe.
Gemütlich kuschle ich mich in eine Decke und wühle mich durch das Fernsehprogramm. Aktuell ist ein namhaftes Wissensmagazin mal wieder auf der Suche nach der größten Bratwurst der Welt, Dieter Bohlen und Heidi Klum bringen ein weiteres Mal Deutschlands Teenies zum Weinen, und die nachgestellten Reality-Shows wirken wie ein langweiliger Abklatsch aus dem Leben meiner Schwester. Überall steigt irgendjemand mit dem Partner eines anderen ins Bett. Aber was soll‘s? Schließlich habe ich ja immer noch Sissi, die während meiner Beziehung mit Daniel ein sehr zurückgezogenes Dasein in ihrem Versteck fristen musste. Und jetzt, da ich nicht länger mit ihm zusammen bin, können wir einiges nachholen.
6
Ich hasse mein Leben. Mittlerweile ist es schon wieder Samstag, und ich befinde mich auf dem Weg zum gefürchteten Hinterwäldler-Hausener Mittagessen. Die letzte Woche hatte zwar relativ gut begonnen, erreichte jedoch mit jedem weiteren Tag einen neuen Tiefpunkt.
Bezüglich meiner Jobsuche konnte ich keine neuen Erkenntnisse gewinnen. Bernd musste unser Kaffeekränzchen aus Zeitgründen ausfallen lassen, und auch sonst hat niemand irgendwelche Anstalten oder Mühen unternommen, sich nach meinem Befinden zu erkundigen. Das Fernsehprogramm verschlechterte sich ebenfalls mit jedem neuen Tag dramatisch. Selbst Sissi hängt mir mittlerweile zum Hals heraus, was auch daran liegen könnte, dass ich mir am Dienstag ihre Biografie aus der Stadtbibliothek ausgeliehen habe und feststellen musste, dass die reale Person fast gar nichts mit der von Romy Schneider verkörperten Figur gemeinsam hatte. Genau genommen hat die echte Elisabeth einen derart großen Dachschaden gehabt, dass sie perfekt in meine Familie gepasst hätte.
Und jetzt bin ich wieder einmal unterwegs zu den Hexen von Eastwick oder vielmehr zu den Hexen von Hinterwäldler-Hausen. Ich bin auch schon sehr gespannt, mit welcher ihrer alten Beschwörungsformeln sie
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