Wo der Pfeffer wächst (Sonderpreis bis zum 31.07.2012) (German Edition)
Mutter. „Das Mädchen ist ja damals schon nicht auf der Höhe gewesen.“
„Ja, der kann wirklich von Glück reden!“, pflichtet meine Mutter ihr wutentbrannt bei. „Wenn ich wüsste, wem ich dieses undankbare Kind zu verdanken habe, würde ich ihn auf Haus und Hof verklagen!“
„Nun beruhige dich mal, Mama! Immerhin hast du noch mich, und schließlich kann nicht jedes Kind so ein Glückstreffer sein.“
Ich halte inne. Für den Bruchteil einer Sekunde bringt mich die Stimme meiner einfältigen Schwester aus der Fassung. Langsam zähle ich bis zehn. Jetzt geht es wieder. Obwohl es schon ein bisschen seltsam ist. Normalerweise sollte mich ihr dummes Gerede auch nach drei Mal bis zehn zählen noch zur Weißglut treiben. Aber vermutlich bin ich schon so sehr daran gewöhnt, dass es mir mit der Zeit egal geworden ist.
Draufgängerisch öffne ich die Schränke. Naja, so ordentlich, wie meine Mutter es immer von sich selbst behauptet, ist sie eigentlich nicht. Die geöffneten Kosmetik-Döschen haben schon überall schmutzige Ränder in den Regalen hinterlassen, und die Zahnputzbecher schauen ebenfalls ziemlich versifft aus. Bei mir zu Hause ist es sauberer. Sie behauptet zwar immer das Gegenteil, was mir wiederum einige Rätsel aufgibt, denn bisher ist sie nur ein einziges Mal in meiner Wohnung gewesen – am Tage meines Einzuges. Ich bin ihr in dieser Hinsicht trotzdem weit voraus. Damals hatte sie nach einem kleinen Rundgang genügend Dinge zum Nörgeln für die nächsten vier Monate gefunden und ist anschließend zufrieden wieder abgedampft. Danach ward sie dort nie wieder gesehen. Trotzdem meint sie, mich zu kennen, weshalb sie mich nicht besuchen müsse, um zu wissen, dass ich in einem Schweinestall hause.
„Und der arme Daniel!“, schluchzt meine Mutter. „So ein lieber und fürsorglicher Freund! Und sie setzt ihn einfach vor die Tür.“
„Ach, so wie ich sie kenne, ist der nächste Typ bei ihr schon in Sicht“, meint Gundula herablassend. „Unmöglich, wie sie ihre Partner wechselt! Das kann man ja wohl keinem erzählen.“
Plötzlich erstarre ich. Was ist denn das da im oberen Fach des Spiegelschranks? Einseitig benutzte Wattestäbchen?! Ich muss würgen. Das gibt es doch wohl alles nicht!
Wutentbrannt stürme ich aus dem Badezimmer und werfe das Ergebnis von Horsts neuestem, abartigem Hobby auf den Esstisch.
„Und ihr seid immer der Meinung, dass bei mir eine Schraube locker ist?“, fahre ich meine Familie und Tratsch-Irmgard an. „Ihr habt sie doch nicht mehr alle!“
„Sag mal spinnst du?“, fragt meine Mutter entgeistert.
„Ob ich spinne? Seit ich denken kann, muss ich mir hier die hirnverbranntesten Beleidigungen antun. Hat hier eigentlich mal irgendjemand mitbekommen, dass ich Daniel mitfinanziert habe und meine Wohnung so sauber ist, dass man darin einen OP-Tisch aufstellen könnte?“
„Das kann ich mir nun wirklich nicht vorstellen“, wirft Tratsch-Fregatte Irmgard herablassend ein.
„Es ist mir scheißegal, was Sie arrogante, hochnäsige Kuh sich vorstellen können! Gehen Sie lieber nach Hause, und räumen Sie ihren Stinke-Geschirrspüler leer! Auf den kann meine Mutter nämlich gar nicht – genauso wenig wie auf alles andere!“
„Nun reiß dich gefälligst mal zusammen!“, gibt Gundula auch noch ihren Senf dazu. „Du musst auch mal ein bisschen Kritik vertragen können.“
„Und das sagt ausgerechnet die größte Bordsteinschwalbe des gesamten Landkreises! Und warum auch nicht? Dich kritisiert ja niemand, da hier im Haus alle so dermaßen penibel darauf bedacht sind, dass niemand etwas von den amourösen Beziehungen zu deinen verheirateten Chefs erfährt!“
Gundula erstarrt. Das Gesicht ist klasse. Und der Adrenalinschub auch. Warum habe ich meinem Ärger nicht schon viel früher Luft gemacht?
Niemand sagt etwas, und Irmgard springt plötzlich auf, weil sie angeblich noch verabredet sei, was natürlich nicht stimmt, denn sie ist nur ein bemitleidenswertes, altes Waschweib. Kurz gesagt – sie hat keine Freunde. Niemand will sich mit ihr verabreden. Meine Mutter macht das auch nur mit, um den Anschein zu erwecken, sie könnte soziale Kontakte aufrecht erhalten.
„Was ist plötzlich in dich gefahren?“, fragt meine Mutter entgeistert.
„Was in mich gefahren ist?“ Blöde Frage! „Seit ich denken kann, hast du kein einziges gutes Wort für mich übrig. Ständig nörgelst du an mir herum, und zudem stört es dich kein bisschen, wenn dein unterbelichteter
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