Wo der Pfeffer wächst (Sonderpreis bis zum 31.07.2012) (German Edition)
in gewohnt aufbauendem Papi-Ton, „jetzt sieh die Sache mal nicht schwärzer, als sie ist! Denk einfach an die positiven Seiten! Von heute an bist du frei und ungebunden. Weder hast du einen Partner noch einen Job, und von deiner Familie hast du auch nichts mehr zu erwarten.“
„Ah, vielen Dank“, erwidere ich sarkastisch. „Das sind wirklich äußerst positive Dinge! Gut, dass du mich an die beschränkten Einzelheiten meines bescheidenen Lebens erinnerst! Das wäre mir beinahe entfallen.“
„Ach Lilli, du weißt genau, dass ich es keineswegs so meine. Worauf ich hinaus will, ist, dass du jetzt anfangen kannst, dein Leben zu leben. Such dir anderswo einen netten Job, zieh weg von hier, und angle dir einen Mann, mit dem du alt werden und vorher noch ein halbes Dutzend Kinder bekommen kannst! Dass du hier nicht glücklich bist, erzählst du mir schon, solange ich denken kann. Jetzt stehen dir alle Türen offen, und es bleibt dir keine einzige Ausrede mehr, um deine Träume nicht zu leben.“
„Wie stellst du dir das denn vor?“, rufe ich völlig überrumpelt. „Die Welt da draußen ist so groß, und ich habe mich in meinem ganzen Leben nie mehr als vierzig Kilometer von Hinterwäldler-Hausen entfernt. Außerdem habe ich woanders doch niemanden.“
„Das hast du hier doch auch nicht! Die einzigen Leute, die einen Nutzen daraus ziehen, dass du hier bist, sind Gundula und deine Mutter. Und alles, was die tun, ist, ihren Frust an dir auszulassen. Irgendjemand muss schließlich an ihrer Unzufriedenheit schuld sein. Sie selbst sind ja nun einmal fehlerlos.“
„Aber das machen sie doch mit dir genauso“, werfe ich panisch ein. „Und du bist auch immer noch hier.“
„Das kannst du überhaupt nicht miteinander vergleichen. Immerhin bin ich schon über fünfzig Jahre alt und habe hier mein ganzes Leben verbracht. Außerdem habe ich einen Job und Freunde. Und damit meine ich nicht solche Freunde, wie du sie hast, sondern echte Freunde, die auch mal für mich da sind, wenn ich sie brauche und nicht immer nur anders herum.“
„Wir beide sind auch Freunde“, greife ich nach dem letzten, mir noch verbleibenden Strohhalm.
„Das ist richtig!“, stimmt er mir zu. „Trotzdem kann und will ich nicht der Grund sein, weswegen du hier im Nirgendwo versauerst. Du bist jung und gehörst einfach nicht hier her! Außerdem wären wir auch dann noch Freunde, wenn du nicht mehr hier wohnen würdest. Schließlich leben wir im Zeitalter der Handys und E-Mails. Es ist ja nicht mehr wie vor dreißig Jahren, als die Post noch am schnellsten zum Ziel gekommen ist, wenn man sie selbst irgendwo rumgefahren hat.“
Ich gehe in mich. Streng genommen hat Bernd schon wieder recht. Die Zeiten der Ausreden sind eigentlich vorbei. Trotzdem sträube ich mich gegen den Plan, meiner gewohnten Umgebung zu entfliehen. Wie bereits bemerkt, hasse ich Veränderungen, und ein Umzug ist nicht einfach nur eine kleine Lappalie, sondern ein riesiges Ding. Ob ich das möchte, weiß ich nicht so genau. Vielleicht wandelt sich hier ja doch noch einmal etwas zum Positiven. Warum sollte man einer Veränderung entgegenlaufen, wenn man genauso gut an Ort und Stelle auf sie warten kann?
Als ich den Heimweg antrete, bin ich ziemlich geschafft. Die ganze Zeit habe ich über so viele Dinge nachgedacht, dass die Gedanken in meinem Kopf irgendwann nur noch kreuz und quer herumgeschossen sind. Jetzt bin ich müde und freue ich mich auf mein Bett.
Während ich an meinem Wohnblock vorbeischlendere, stelle ich erleichtert fest, dass Daniels Auto verschwunden ist. Also werde ich meine blitzblank geputzte Wohnung gleich ganz für mich allein haben. Ich werde mir einen Film anmachen und dann ganz gemütlich ins Land der Träume schweben.
Aber natürlich kommt immer alles ganz anders, als man denkt. Schon beim Betreten meiner Wohnung bleibt mir die Luft weg, denn Daniels Schmutzwäsche ist im gesamten Wohn-/Schlafzimmer verteilt. In allen Zimmern riecht es nach Gebratenem, und anstelle einer Portion Essen, hat er mir nur das dreckige Geschirr zurückgelassen. Im Badezimmer ist das Waschbecken mit Zahnpasta vollgeschmiert, und neben dem Bett liegen die leeren Verpackungen meiner Lieblingssüßigkeiten. Überall sieht man, dass Daniel gewütet hat, nur von ihm selbst fehlt jede Spur.
Wutentbrannt packe ich seine Sachen zusammen, stelle sie nebst Schild mit der Aufschrift „ zu verschenken “ an die Laterne vor der Haustür und putze meine Wohnung.
Das kann
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