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Wo der Tod begraben liegt (German Edition)

Wo der Tod begraben liegt (German Edition)

Titel: Wo der Tod begraben liegt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Gohlke
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mit Manfreds letzten Tagen und mit dem, was er aus den Aufsätzen des Gerontologen in Erfahrung gebracht hatte, in einen Zusammenhang. „Ihn mit den Ringen in Ottokar junior umbringen“ und „Glücklich geworden“ schrieb der Professor in Anlehnung an Manfreds letzte Sätze in zwei Kreise, von denen er allerhand Gedankenspiele startete und die doch nur dazu dienten, seine erste, durch seine genauen Beobachtungen am Sterbebett so naheliegende Vermutung zu untermauern: Die Ringe können bekunden, dass Manfred „ihn“ umgebracht hat, was zu Manfreds Glück, sprich die Erfüllung seiner Liebe zu Ilona, geführt hat. Damit wurde dem Professor klar, dass es sich beim Sturz von Werner Karbert vor 30 Jahren von der Mintarder Autobahnbrücke nicht um einen Selbstmord gehandelt haben kann, sondern er von Manfred geschubst oder zum Sprung getrieben worden war. Die Ringe würden es beweisen. Sie konnten nur als eine Art Henkersmahlzeit ihren Weg in den Magen von Werner Karbert gefunden haben.
    Von dem Bedürfnis zu einem moralisch geprägten Werturteil über die Tat wurde der Professor nicht getrieben, was ganz sicherlich damit zu tun hatte, dass er einen rein sittlichen Blick auf die Gattung Mensch sowieso für wenig ergiebig hielt und dass er zudem aus dem Staunen über den Mord nicht herauskam. Geradezu zornig konnte der Professor jedoch darüber werden, dass Manfred ihn faktisch einer gewissen Mittäterschaft bezichtigt hatte. Manfreds Worte „Du brachtest in mir den Positivismus um, so konnte ich gleiches mit ihm tun und so liegt die Verantwortung nicht allein bei mir“ empfand der Professor als einen aggressiven Akt gegenüber seiner Person. Man kann allen Ernstes behaupten, dass der Professor deswegen enttäuschter von Manfred war als wegen seines Tötungsakts gegenüber einem Menschen, den er höchstwahrscheinlich, nach allem was er wusste, nicht für besonders wertvoll gehalten hätte.
    Der Professor fragte sich, warum Manfred der Frage der Schuld und dabei dann auch möglicher Mitschuld in seinen letzten Worten überhaupt einen solchen Stellenwert geben musste. Hatte Manfred Angst, dass er sein Leben verwerfen müsste oder wenigstens nicht einmal in den letzten Minuten seines Lebens zur Ruhe käme, wenn ihm keine Person einfallen würde, die er zum Komplizen erklären konnte? Wenn sich das tatsächlich so gestellt hat, wurde dann Manfred von irgendetwas Religiösem getrieben? Anders konnte sich der Professor Manfreds Bedürfnis, die Schuldfrage zu stellen, jedenfalls nicht erklären, denn für kein Gedankengebäude spielte Schuld eine so außerordentliche Bedeutung wie für die Religion – für die christliche, zu der Manfred in seiner Kindheit einen Bezug hatte, allemal. Je länger der Professor über diesen Zusammenhang sinnierte, desto sicherer wurde er sich dieser Annahme. Manfred war ein zu großer Zweifler, als dass ihm seine christliche Sozialisation in einer Situation, in dem alles in ihm nach Hilfe schrie, nicht einholen konnte.
    Der Professor sah sich in dieser Einschätzung ausdrücklich bestätigt, als er darüber nachdachte, warum Manfred zu Ilona zum Abschied das Wort „Später“ sagte. Denn sofern Manfred dabei noch von seinem freien Willen und geistiger Klarheit getragen wurde, ist mit diesem Ausdruck ein Hinweis auf das Jenseits zu vermuten. Hierbei lehnte der Professor es entschieden ab, dass diese metaphysische Regung seines „Bruders im Geiste“ seine eigene Sichtweise auf den Tod, die keinerlei Spielraum für die Existenz eines Jenseits bot, in irgendeiner Weise verunsichern durfte.
    Lange dachte der Professor darüber nach, was Manfred eigentlich mit seiner Bemerkung, „du brachtest den Positivismus in mir um“ meinte. Zumal Manfred im Anschluss an diese Äußerung verlautbart hatte, dass er erst durch die Tötung des Positivismus fähig wurde, selbst zu töten. Der Professor stand schon deswegen perplex vor diesen Aussagen, weil der Begriff Positivismus völlig unterschiedlich verstanden wird, gerade auch von denen, die sich mit ihm auskennen. Bezog sich Manfred etwa auf seine Aufforderung im Jahr 1981, dass er sich seine eigenen Werte suchen muss, um nach dem Dilemma mit Ilona wieder handlungsfähig zu werden? Das bekäme einen Sinn, resümierte der Professor, wenn Manfred auf diesem Weg zu einer Rechtfertigung seines Mordes gekommen war.
    In Bezug auf die Frage der Verantwortung hatte der Professor das Problem, dass es an ihm lag zu entscheiden, was mit der Wahrheit geschehen

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